Aus dem Ozean ins Wohnzimmer

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Fast alle von uns haben als Kind schon einmal eine Zahnarztpraxis besucht. Das war nicht gerade die angenehmste Erfahrung. Was jedoch immer aufheiterte, war das große Aquarium mit den bunten Fischen die schnell von links nach rechts schwammen. Begeistert hat man nach Dori und Nemo gesucht. Was man als Kind jedoch nicht weiß ist, dass es sich um wilde Tiere handelt. Wilde Tiere aus dem Ozean.

 

2020 gab es 2 Millionen Aquarien in deutschen Haushalten, Fische sind ein beliebtes Haustier. Sie sind schön, machen nicht viel Dreck und das Ansehen von Fischen soll angeblich einen positiven Effekt auf die Psyche haben.

Aber woher kommen unsere Fische eigentlich?

Oft wird von Nachzucht gesprochen, jedoch ist dies äußerst schwer nachzuverfolgen. Zudem können etwa 90% der Fische nicht einmal in Gefangenschaft vermehrt werden, zu diesen Fischen gehören einige der beliebtesten marinen Zierfische wie die Paletten-Doktorfische. Somit kommen diese Fische so gut wie immer aus dem Ozean, hauptsächlich von den Riffen vor Südostasien und aus einigen Inselnationen im Pazifischen und Indischen Ozean.

Gefangen werden die Fische dort mit Netzen in den Korallenriffen, jedoch sind viele scheu und verstecken sich im Riff. Alleine das Fangen mit dem Netz kann das Korallenriff beschädigen, jedoch kommen beim Fang auch Eisenstangen und Stöcke zum Einsatz, um die Verstecke aufzubrechen oder die Fische heraus zu treiben.

Eine weitere Methode ist die Fischerei durch Natriumcyanid, ein Salz der Blausäure, welches genutzt wird, um die Fische zu betäuben und das Fangen zu vereinfachen. Viele der Fische werden durch das Gift sofort getötet oder so sehr geschwächt, dass sie den weiteren Transport nicht überleben. Auch andere Organismen wie Korallen und andere Wirbellosen fallen dem Gift zum Opfer. Zudem stellt Natriumcyanid eine gesundheitliche Gefährdung für die Fischer dar, weshalb viele Länder den Fang mit Natriumcyanid verbieten. Das Gewinnpotential beim Handel mit marinen Zierfischen ist jedoch so hoch, dass dies kaum eine Rolle spielt. Der Umsatz liegt jährlich bei geschätzten 170 bis 280 Millionen Euro.

Zudem werden auch Arten gefangen, die nicht einmal Ansatzweise für die Haltung in Gefangenschaft geeignet sind, wie beispielsweise der Schwarzspitzen-Riffhai. Dieser ist einer der populärsten Haie für Aquarien, auch wenn seine Ansprüche extrem hoch sind und eine artgerechte Haltung in Gefangenschaft nicht möglich ist. Der Schwarzspitzen-Riffhai gehört zu den Arten, welche über keine aktive Atmung verfügen, weshalb die Tiere immer schwimmen müssen, um zu atmen. In Aquarien kann ein kleiner Fehler in der Strömungseinstellung diese Tiere töten. Zudem werden sie nur mit totem Fisch gefüttert, was sie anfälliger für Krankheiten macht. Eigentlich werden die Tiere in der Freiheit bis zu 40 Jahre alt, jedoch starben 2022 binnen 3 Monaten zwei dieser Haie im Münchener Tierpark Hellabrunn und im Karlsruher Naturkundemuseum. Beide waren weit unter 30 Jahre alt geworden.

Die meisten Tiere erreichen jedoch nicht einmal die Aquarien, ein Großteil stirbt während des Transports oder in Sammelstellen vor Ort. Der Fang der Fische hat somit eine große Auswirkung auf ihren Lebensraum sowie die Artenvielfalt.

Trotz der enormen Größe dieser Industrie, welche einen Jahreswert von 1,5 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet, wird sie kaum überwacht. Nur Seepferdchen und zwei Fischarten sind durch das CITES-Abkommen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen) geschützt. Zudem fehlen jegliche Daten über die Auswirkung auf das Ökosystem, das Handelsvolumen und die betroffenen Spezies. Die Fische sind fast nie zurück zu verfolgen, da sehr viele Akteure an Fang, Lieferung und Vertrieb beschäftigt sind.

Die genauen Auswirkungen des künstlichen Entnehmens von Fischen und Wirbellosen aus den Korallenriffen ist auf Grund des Informationsmangels schwer festzustellen, jedoch lässt sich generell sagen, dass unsere Riffe durch den Klimawandel ohnehin in Gefahr sind.

Die Wasseroberfläche erhitzt sich in den letzten Jahren immer mehr, was zu Korallenbleiche und Übersäuerung der Meere führt. Auch die Überfischung ist ein massiver Faktor und wenn man beachtet, dass etwa 15 bis 30 Millionen Korallenfische pro Jahr in den Handel gelangen (Die Exemplare die innerhalb der Lieferkette sterben werden nicht erfasst) lässt sich der Effekt des marinen Zierfisch-Handels auf die Riffe schnell begreifen.

Jedes Mal wenn man ein Aquarium mit Korallenfischen sieht, sollte man sich darüber bewusst sein, woher diese Fische kommen und was ihre Haltung im Aquarium für die Riffe, Meere und Fischpopulationen bedeutet.

 

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