Die Schule setzt Schüler nahezu aller Altersklassen unter Druck, daran besteht kein Zweifel. Auch die renommierte Wochenzeitung ZEIT berichtete erst diesen Januar über Druck seitens der Schule, bereits Achtjährige seien hiervon beeinflusst. Andere Quellen stellen jedoch infrage, ob dieser Druck tatsächlich seitens der Schule ausgeübt wird. Auch das Elternhaus kann einen massiven Einfluss auf das individuelle Druckempfinden haben. Nicht zu vergessen ist zudem das gleichaltrige Umfeld. Helfen sich die Klassenmitglieder untereinander oder kommt es zu einer Art internem Wettbewerb?
Dass Druck in vielen Fällen zu ungesunden Angewohnheiten bis hin zu psychischen Leiden führen kann, ist kaum anzweifelbar. Dennoch stellt sich die Frage, wie die Situation an unserer Schule einzustufen ist. Mithilfe einer Umfrage wollen wir auf diese Frage eingehen. Die 80 Teilnehmer der Umfrage stammen dabei aus verschiedenen Jahrgängen und werden anonym behandelt. Es sind verschiedene Notenbilder in der Umfrage vertreten, welche mit einem Gesamtdurchschnitt des letzten Zeugnisses von 1,96 zahlreiche gute und sehr gute Notenbilder einschließen, jedoch auch Schnitte im 3er- bis 4er-Bereich enthalten.
Es überrascht kaum, dass die Gesamtempfindung des Drucks nicht nennenswert von den bundesweiten Trends abweicht. Durchschnittlich würden die Befragten auf die Frage, ob die Schule sie stresse mit „Trifft eher zu“ antworten (zur Auswahl stehen „Trifft nicht zu“, „trifft eher nicht zu“, „trifft eher zu“ und „trifft zu“). Interessant ist jedoch die Abweichung von diesem Mittelwert, sofern nur Teilnehmer der 5. Klasse betrachtet werden (insgesamt 16), fällt hier die Antwort doch tatsächlich eher knapp zugunsten der Aussage: „Trifft nicht zu“, aus. Es gilt also herauszufinden, ob innerhalb der Altersklassen große Differenzen auszumachen sind. Zunächst steht jedoch die Frage im Vordergrund, wie der Druck, dem doch scheinbar auch die Schüler unserer Schule unterliegen, zustande kommt. Freunde und Familie scheinen hierbei in unserer Schule den Aussagen zufolge eine sekundäre Rolle zu spielen, schließlich ist zu notieren, dass auf die Frage, ob die Sorge, andere zu enttäuschen, verspürt werde, im Mittel eine Antwort zwischen „trifft eher zu“ und „trifft eher nicht zu“ gegeben würde, aber keine sich aufdrängende Antwort, die diese These bestätigen würde, vorzufinden ist.
Dennoch darf nicht vergessen werden, dass bisher überwiegend Mittelwerte in die Betrachtung mit einbezogen wurden. Zwar erscheint über die Befragten gemittelt kein nennenswerter Ausschlag zugunsten eines Drucks durch die Sorge zu enttäuschen, für 39 Personen ist dieser Druck jedoch durchaus real. Beruhigend ist in dieser Hinsicht allerdings, dass im Durchschnitt jeder Befragte sieben Freunde alleine in seiner Klasse zählen kann. Es herrscht in einigen Fällen zwar augenscheinlich ein inneres Bedürfnis vor, den Erwartungen der anderen gerecht zu werden, es scheint jedoch nur in Ausnahmefällen das Problem sozialer Isolation in den Klassen die inneren Unruhen zu begünstigen. Diese Feststellung wird nicht zuletzt dadurch gestützt, dass die Befragten mehrheitlich angeben, sich in ihrer Klasse anerkannt zu fühlen. Die Ursache des schulischen Drucks scheint vielmehr in den Noten zu liegen, als in sozialen Problemen. Zwar wird mehrheitlich angegeben, nicht als Vorbild wahrgenommen zu werden, viel interessanter erscheint jedoch, dass die eigenen Noten insgesamt eher unter Druck setzten als zu Zufriedenheit führten, so die Befragten. Und das obwohl die meisten auf der anderen Seite behaupten, sich an ihren guten Noten zu erfreuen. Kaum eine andere Frage konnte ein derart klares Ergebnis liefern. Lediglich die Tatsache, dass die eigenen Noten mit einem gewissen Aufwand verbunden seien, wird ebenso bereitwillig unterstützt.
Die Tendenz ist also klar. Die meisten Befragten fühlen sich durch ihre Noten unter Druck gesetzt. Sie geben an, dass ihnen schulische Noten tendenziell eher viel bedeuteten und sie daher eher das Gefühl hätten, liefern zu müssen. Schlechte Noten seien dabei eher frustrierend und gerade Klausuren gingen oft mit Druck einher. Im Durchschnitt sind die Schüler unserer Schule dabei scheinbar recht hart zu sich selbst, schließlich wird bereits die Note 3- (7 Punkte) als frustrierend empfunden.
Doch versuchen wir einmal etwas Distanz von den rein statistischen Ergebnissen zu gewinnen, um diese besser einordnen zu können. Die Zeitschrift Geo schreibt über Druck im Arbeitsumfeld: „Psychischer Druck wird heutzutage am häufigsten durch das Gefühl ausgelöst, nicht ausreichend Zeit für eine Aufgabe zu haben“. Eine Aussage, die durchaus auch im schulischen Rahmen zutrifft. Zu sehen ist dies nicht zuletzt an den Verbesserungsvorschlägen, die die Befragten hinsichtlich des Systems Schule äußern. Arbeiten sollten reduziert werden, oder mündliche Noten zumindest stärker gewichtet werden, der Stress müsse allgemein verringert werden. Auch Hausaufgaben und die Verteilung von Klausuren über das Schuljahr böten Verbesserungspotential, so die Schülerschaft. Darüber hinaus wird darum gebeten, den Ankündigungszeitraum für Klausuren/Klassenarbeiten auszuweiten, um mehr Vorbereitung zu ermöglichen. All dies stellt sicherlich nur einen kleinen Anteil der Vorschläge dar, signalisiert jedoch: Die Problematik ist bekannt. Zeitliche Engpässe spielen eine maßgebliche Rolle im Zusammenhang mit schulischem Stress.
Und dieser ist in seiner Auswirkung nicht unerheblich. Er werde unruhig, perfektionistisch, hart zu sich selbst, gibt ein Teilnehmer der Umfrage an. Ein anderer notiert, seine Aufmerksamkeit sinke und er beginne zu schwitzen. Andere Schüler geben gar an, sie besäßen keine Motivation mehr, verhielten sich nahezu depressiv bis autistisch und litten unter Schlafstörungen. Wieder andere sehen die negativen Auswirkungen vorwiegend in der verminderten Ausprägung ihres Privatlebens.
Interessant sind dabei insbesondere ein Aspekt. So scheint trotz der von mehreren angegebenen Probleme im sozialen Kontext, offensichtlich keine langfristige Isolierung zu folgen, da diesbezüglich kein Missstand unter den Befragten festgestellt werden kann. Einige Befragte geben gar an, sie fokussierten sich zwar durch den Stress auf sich selbst, helfen aber durchaus auch anderen. Ein durchaus relevanter Ansatz, ist doch die Annahme mehr als vakant eine soziale Isolation löse das Problem des notenbedingten Stresses, auch wenn die zeitlichen Engpässe in diesem Kontext nicht zu verkennen sind. Zudem ist es durchaus nicht nachteilig anderen zu helfen. Zum Teil trägt gerade die eigens ausgeführte Erklärung eines Sachverhaltes dazu bei, diesen genauer zu durchdenken und zu verstehen.
Guter Schüler, schlechter Schüler – Druckempfindung bei extremen Notenbildern
Es gibt sie in eigentlich jeder Klasse: Schüler, die scheinbar problemlos durch bestimmte Fächer kommen, denen die Schule nichts auszumachen scheint. Schnell wird sich des Klischees bedient, erausragend gute Schüler seien vor schulischen Sorgen gefeit. Aber ist dieses Klischee wirklich begründet?
Ganz im Gegenteil gibt ein Befragter mit einem Durchschnitt jenseits der 1,0 an, sich gerade aufgrund der eigenen Probleme unter Stress zu isolieren, um anderen zu ersparen mit unter der Situation zu leiden. Ein anderer Befragter, dessen Schnitt mit 1,3 ebenfalls eine hervorragende Leistung darstellt, beklagt mentale Probleme, gibt an zwischenzeitlich weinen zu müssen, verzweifelt zu sein und Freizeitaktivitäten zum Teil fallen zu lassen, um mehr Zeit für die Schule aufbringen zu können. Gereiztheit, Überforderung, Burn-Out Situationen und eine Grundanspannung notiert ein dritter Teilnehmer mit identischem Notendurchschnitt. Und doch wirft gerade die Tatsache, dass schulische „Leistungsträger“ ebenfalls unter derartigem Druck leiden, weitere Fragen auf. „Es geht im Kern nicht um die Note, die jemand sich zum Ziel setzt, es geht vielmehr um den Toleranzbereich“, so eine anonyme Stimme. Die dahinterstehende Aussage ist durchaus schlüssig. Zeichnet man einmal das Bild eines ausgesprochen leistungsstarken Schülers, der sich zum Ziel setzt, eine 1 in einer Klausur zu schreiben, weil er der festen Überzeugung ist, diese Note erreichen zu können, so stellt sich folgendes Problem: Es bleiben lediglich zwei Optionen. Das Ziel kann erreicht werden, oder es wird verfehlt, da zumindest ein Übertreffen in der Mittelstufe eigentlich auszuschließen ist. Wird nun jede Art von Verfehlung des Ziels als Misserfolg gewertet, ist die Spanne der Möglichkeiten, die mit Zufriedenheit einhergehen, nur noch sehr klein. Was mit der Zeit verloren geht, ist daher das Gefühl des Erfolges, der nach und nach zu einer Art Notwendigkeit wird. Dabei fehlt die Freude, sich übertreffen zu können. Was zurückbleibt, ist somit überwiegend die Sorge vor dem Misserfolg. Tritt nun der Erfolg ein, erhöht dies den Druck auf die nächste Leistungskontrolle. Hier existieren nun die zwei Möglichkeiten, sein Notenbild zu halten, oder sich zu verschlechtern. Die potentielle Freude über die Noten leidet unter Umständen gar darunter, dass Sie lediglich als bereits errungene Leistung angesehen werden und nun als obligatorischer Anspruch angesehen werden. In gewisser Weise lässt sich somit eine Art Notensucht erahnen. Was zunächst absurd klingt ist ein durchaus reales Problem. So notiert die Berliner Zeitung: „Schüler werden regelrecht süchtig nach der Bestätigung von außen“ auch eine Stellungnahme der Süddeutschen Zeitung macht deutlich, es existiert eine Art Sucht nach Noten die nicht zuletzt durch Druck im Sinne einer Leistungsgesellschaft gefördert werde. Dabei ist an sich nichts verwerfliches an einer derartigen Sicht zu finden, sie ist verhältnismäßig zielorientiert und führt in der Regel zu einer gesteigerten Anerkennung. Lediglich der aus ihr resultierende Stress und die abnehmende Zufriedenheit stellen eine Parallele zu herkömmlichen Suchtkonzepten dar.
Doch selbst wenn die Situation des fiktiven Schülers nicht mit einer Sucht beschrieben werden kann, setzt ihn sein Notenbild nicht unwesentlich unter Druck. Unlängst hat sein Umfeld von seinen Leistungen erfahren. Es ist das allgemeine Bild entstanden, er schreibe ohnehin immer eine 1, obschon es hierfür keine Garantie gibt oder geben kann. Aus diesen Vorurteilen resultiert, verfehlt der Schüler sein eigenes Ziel, wird seine Unzufriedenheit unter Umständen dadurch gesteigert, dass er sich blöde Sprüche anhören muss oder zumindest eine Wertung seines Resultats auch durch andere erfolgt. Mit diesem Wissen im Hintergrund erscheint das Phänomen „unter Stress trotz überragender Leistungen“ deutlich plausibler.
Auch Leistungen unterhalb des Durchschnittes können frustrierend sein. Erreicht ein Schüler seine persönlichen Ziele schulischer Art durchweg nicht, stellt dies die Selbstwahrnehmung in Frage. Doch was für Auswirkungen resultieren daraus auf das Stressenpfinden?
Reduziert man die Umfrage auf alle Befragten mit Notenschnitten ab 3,0 steigt das Stressempfinden deutlich über den Durchschnitt.
Anders als beim Gegenbeispiel, Notendruck durch gute Noten, ist der Grund hier auf den ersten Blick plausibler. Die ausstehenden zukünftigen Noten setzen den Schüler unter Druck, da er die Befürchtung hegt, sie könnten ihn, oder andere enttäuschen, denn auch letzteres spielt bei ebendieser Befragtengruppe eine bedeutsame Rolle. Selbstzweifel kommen auf. Und das in den meisten Fällen unbegründet, ist doch eine Person nicht nur als die Summe ihrer Noten oder Leistungen zu begreifen.
Notendruck am Gymnasium Horn – Wie brisant ist das Thema?
Das Thema Notendruck ist allgegenwärtig und wohl aus keiner Schule gänzlich wegzudenken. Doch wie relevant ist das Thema wirklich?
Fassen wir die erhobenen Umfrageergebnisse zusammen, zeigt sich, dass auch das Gymnasium Horn in puncto Stress durch Schule nicht signifikant vom Bundestrend abweichen kann. „Fast jeder zweite Schüler (43 Prozent) leidet unter Stress. Das wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus: Ein Drittel der betroffenen Jungen und Mädchen hat Beschwerden wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen oder Schlafprobleme – das sind mindestens doppelt so viele wie bei den nicht-gestressten Schülern“, so eine Umfrage der DAK Krankenkasse von 2017. Was sich jedoch festhalten lässt ist, dass sowohl das obere Notenspektrum als auch das untere Notenspektrum von gewissen Drucksituationen besonders betroffen sind.
Weiter ist am Gymnasium Horn jedoch noch eine Abweichung des fünften Jahrgangs zu betrachten. Insgesamt geben die Befragten aus diesem Jahrgang durchaus an, Noten würden ihnen eher etwas bedeuten. Die Noten setzen sie jedoch gemäß der Antworten unterdurchschnittlich stark unter Druck und auch Klausuren scheinen hier noch ein geringeres Druckempfinden auszulösen. Ein Trend, der grundsätzlich begrüßenswert ist, bedeutet er doch unter Umständen eine größere Freude der Betrachteten Schüler am Alltag. Es ist jedoch fraglich, ob die Einstellung sich langfristig hält. Denkbar ist ebenfalls, dass Prozesse, wie der zunehmende Druck durch Gewöhnung an Noten oder aber auch Enttäuschungen erst mit der Zeit aufgebaut werden, einen Teil der gesammelten Erfahrungen im schulischen Kontext darstellen.
So oder so ist die Entwicklung auch in Zukunft im Auge zu behalten. Denn Stress und Druck münden schnell in weitaus beunruhigenderen Situationen: „Leichte depressive Verstimmungen bis hin zu schweren depressiven Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Im Vorschulalter sind ca. 1 % der Kinder und im Grundschulalter ca. 2 % betroffen. Aktuell erkranken etwa 3-10 % aller Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren an einer Depression“, so die Stiftung deutsche Depressionshilfe. Und ein Abgleiten in die Depression gilt es schließlich mit allen Mitteln zu verhindern, nicht zuletzt da oft Begleiterscheinungen wie Essstörungen auftreten. Auch wenn keine genauen Aussagen über den diesbezüglichen Stand unserer Schule getroffen werden können, liegt es nahe anzunehmen, dass auch hier der Bundestrend nicht gänzlich verkehrt liegen wird.
Es erscheint daher sinnvoll, sich bereits präventiv mit dem Thema Notendruck auseinanderzusetzen. Es ist wichtig, dass Ausgleichsmöglichkeiten wie Hobbys geschaffen werden, die schulische Misserfolge auffangen können. Ebenso relevant ist, dass das eigene Selbstbild nicht lediglich an Noten festgemacht wird.
Konkludierend ist somit festzuhalten: Auch unsere Schule zeigt Probleme hinsichtlich des Leistungsdrucks. Der Hintergrund der Sorgen ist oft verständlich, es gilt jedoch zu verhindern, dass eine derartige Sorge in eine tatsächliche psychische Erkrankung mutiert. Gefragt ist das direkte Umfeld, aber auch eine Alltagsstruktur, die neben der Schule noch andere Ausgleichskomponenten zulässt. Denn Schule ist zwar ein wichtiger Schlüssel für das spätere Leben, soll jedoch Möglichkeiten und keine langfristigen Probleme oder Leiden schaffen.
Quellen
- https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2024-01/leistungsdruck-grundschule-kinder-stress-lehrer Zitat: https://www.geo.de/wissen/gesundheit/20967-rtkl-psychische-belastung-wie-sich arbeitsstress-mit-einfachen-tricks#:~:text=Psychischer Druck wird heutzutage am,fühlen sich gehetzt und rastlos.
- https://www.berliner-zeitung.de/zukunft-technologie/interview-mit-bildungsforscher-schulnoten machen-suechtig-li.57227
- https://www.sueddeutsche.de/bildung/leistungsdruck-an-der-schule-fatale-gier-nach-guten noten-1.1960561
- https://www.dak.de/dak/bundesthemen/fast-jeder-zweite-schueler-leidet-unter stress-2116176.html#/
- https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in verschiedenen-facetten/depression-im-kindes-und-jugendalter#:~:text=Aktuell erkranken etwa 3-10,Angststörungen, Essstörungen und ADHS einhergeht.