Thomas Röwekamp, wie wird man Bundestagsabgeordneter?

Drei Schülerzeitungsredakteur/innen konnten Thomas Röwekamp einige Fragen stellen. Er ist Abgeordneter der CDU und für Bremen im Bundestag und ist im Verteidigungsund Untersuchungsausschuss Afghanistan tätig und Berichterstatter für alle maritimen Themen.

 

Schülerzeitung: Stellen Sie sich bitte einmal vor.

Thomas Röwekamp: Mein Name ist Thomas Röwekamp, ich bin 57 Jahre alt, verheiratet, drei erwachsene Kinder, die alle noch in der Ausbildung sind, wohne in Bremen und bin für die Bremer CDU der einzige Bundestagsabgeordnete. Ich bin Mitglied im Verteidigungsausschuss, Berichterstatter für alle maritimen Themen, aber auch im Untersuchungsausschuss Afghanistan. In meinem zivilen Leben bin ich Rechtsanwalt.

Warum sind Sie Politiker geworden?

Das ist schon lange her, aber ich erinnere mich noch genau: Ich habe mich über meine Arbeit in der Schülervertretung für Politik interessiert. Damals gab es eine Menge schulpolitische Themen, insbesondere Schulschließungen in Bremerhaven waren damals ein Thema. Dann gab es eine Reform der gymnasialen Oberstufe, es gab die sogenannte Orientierungsstufe und es gab unterausgestattete Bildungsinfrastrukturen. So bin ich über die Bildungspolitik in die Politik gekommen. Über die Arbeit in der Schülervertretung wollte ich dann einer Partei beitreten und mich orientieren. Ich habe mich umgehört, welche Partei am ehesten in Frage kommt und so bin ich zur CDU gekommen.

Was machen Sie als Bundestagsabgeordneter?

Es gibt eigentlich drei Tätigkeiten. Die eine ist, dass ich Vertreter der beiden Wahlkreise Bremens im deutschen Bundestag bin.

Das zweite Thema ist, dass ich Politik auch so verstehe, dass man eine fachliche Zuständigkeit hat. Bei mir ist es der Verteidigungsausschuss und im Verteidigungsausschuss sind es eben bestimmte Themen. Ich bin Berichterstatter für alles, was die Marine betrifft, ich kümmere mich da allerdings auch um regionale Themen, ich bin zum Beispiel Berichterstatter für den Nahen Osten und deswegen gerade sehr viel mit dem Thema Angriff der Hamas auf Israel beschäftigt. Es gibt bestimmte Themen, wo ich sage, da bin ich Bundestagsabgeordneter, da bin ich nicht nur für meinen Wahlkreis verantwortlich und verpflichtet, sondern habe eine nationale Aufgabe. Und ich verstehe mich auch als Mittler, also alles, was hier in Berlin passiert, worüber die Menschen reden, das auch nach Bremen zu transportieren und an Veranstaltungen teilzunehmen, meine politischen Überzeugungen zu vertreten, dafür zu werben aber auch andere Politikfelder zu erklären und umgekehrt natürlich die Anliegen, die an mich herangetragen werden, entsprechend hier in Berlin weiterzutragen und mich darum zu kümmern.

Wie wird man Bundestagsabgeordneter?

Formal gibt es einen Weg. Es steht jedem volljährigen Deutschen frei, sich für den deutschen Bundestag zu bewerben. In der Regel geht das über politische Parteien. Wir in Deutschland haben uns mit dem Grundgesetz bewusst für eine sogenannte Parteiendemokratie entschieden. Das heißt, die Parteien wirken an der Willensbildung in politischen Fragen mit und sind ein Teil unserer Institution. Deswegen ist der erste Schritt, wenn man sich politisch engagieren will, dass man eine Partei findet. Dann kann man sich in der Partei engagieren und sich um Mandate bewerben. Aber am Ende stellen immer Parteien Kandidatenlisten auf, sowohl für den direkten Wahlkreis als auch für die Liste der jeweiligen Partei für Wahlen und darum kann man sich bewerben. Wenn man parteiintern ausgewählt ist, bemüht man sich eben, im Wahlkampf, im Wettbewerb mit den Vertretern der anderen Parteien, um das Mandat und wenn das dann erfolgreich ist, wird man Abgeordneter.

Was verdient ein Bundestagsabgeordneter und wie unterscheiden sie sich zwischen verschiedenen Abgeordneten bzw. wie wird das festgelegt?

Die Entschädigung für Bundestagsabgeordnete orientiert sich an der Entschädigung für Richterinnen und Richter an obersten Gerichten. Das ist eine bewusste Entscheidung gewesen, dass man gesagt hat, das sind ja unterschiedliche Gewalten und das soll sich irgendwie im Kräfteverhältnis widerspiegeln und deswegen ist die Vergütung ähnlich geregelt. Zurzeit verdient ein Bundestagsabgeordneter Brutto ungefähr 10.600 Euro im Monat. Und danach bekommt man noch eine gewisse Infrastruktur bezahlt, also Geld für Mitarbeiter, Büroausstattung und einen Mehraufwand, weil man einen zweiten Wohnsitz in Berlin hat.

Wie oft sind sie in Berlin?

Im Prinzip jede zweite Woche. Wir haben immer Sitzungswochen und sitzungsfreie Wochen. Das soll ermöglichen, dass in unserem System, wo Abgeordnete einerseits die Aufgabe haben, sich hier in Berlin in den Gremien, im Bundestag, in den Ausschüssen um die inhaltliche Arbeit zu kümmern. Es soll aber auch die Bindung der Abgeordneten aus der Gegend, aus der sie kommen, stärken und deswegen gibt es immer eine Sitzungswoche in Berlin, in der alle Sitzungen sind, das Plenum und parallel die Ausschüsse tagen und es gibt die Arbeitsgruppensitzungen. So eine Woche wechselt sich dann mit einer Woche ab, die man frei hat und im Wahlkreis unterwegs ist. In meinem Fall eben Bremen, man hat da Termine und kümmert sich um seine Aufgaben.

Die Interviewer zusammen mit Herrn Röwekamp vor der Kuppel des Bundestages.

Wie kommen Sie von Berlin nach Bremen?

Ich fahre beide Strecken nur mit dem Zug. Ich bin insgesamt glaube ich dreimal mit dem Auto gefahren, aber nur, weil wir die Möbel und so hin und her transportieren mussten, als wir in Berlin eine Wohnung gesucht haben.

Sie waren Senator für Inneres und Sport in der Landesregierung von Bremen. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht und wie hat das sich auf Ihre politische Laufbahn ausgewirkt?

Das ist die dritte Säule, die Exekutive, also die Seite der Verwaltung. Das ist schon eine wichtige Erfahrung für mich gewesen, weil man auf der einen Seite natürlich das kennt, was man kontrolliert. Abgeordnete haben auch den Auftrag, das, was die Regierung macht, zu kontrollieren, dazu Verbesserungsvorschläge zu machen, sich dazu eine Meinung zu bilden und der Regierung Aufträge zu geben, worum sie sich kümmern soll. Wenn man dann einmal auf der anderen Seite gewesen ist und sozusagen weiß, was da für Aufträge kommen und wie die verarbeitet werden, das macht das Wissen breiter. Das zweite ist, dass das natürlich eine bestimmte Führungserfahrung ist. Wenn man einmal Senator gewesen ist, hat man auch personelle Verantwortung gehabt für einige tausend öffentlich Beschäftigte, also all diese Themen, mit denen sich eben ein Regierungsmitglied beschäftigen muss. Und das ist ein breiter Erfahrungsschatz, man weiß, wie Behörden funktionieren, kennt bestimmte Sachverhalte und die Quellen. Es hat sich auf jeden Fall für mich gelohnt, das waren vier wertvolle Jahre.

Sie waren auch stellvertretender Bürgermeister in Bremen. Wie ist die Arbeit in der Bremischen Bürgerschaft und wie unterscheidet sie sich genau von ihrer jetzigen Arbeit?

Die Arbeit im Landtag ist von der Grundstruktur der Aufgaben die gleiche. Man muss allerdings sagen, dass die Themen andere sind. Im Landesparlament, in der Landesregierung geht es im Wesentlichen um lokale Themen, das Land ist nach dem Grundgesetz ja für bestimmte Bereiche zuständig, beispielsweise für Bildung, für innere Sicherheit, also Polizei und Verfassungsschutz und auch für soziale Daseinsfürsorge. Allerdings haben wir in Bremen 84 Landtagsabgeordnete, in Berlin sind wir 736. Das ist natürlich auch eine andere Dimension, man arbeitet hier auch anders. Alle Gremien sind größer, jeder Ausschuss ist größer, die Fraktionen sind größer, das Plenum ist größer, das ist eine andere Arbeitsatmosphäre. Was mich am meisten überrascht hat ist, dass es hier in Berlin eine völlig andere Diskussionskultur gibt. Also in Bremen kenne ich das so, dass man im Parlament mit Rede und Widerrede um die besten Argumente streitet und auch ein bisschen versucht, den anderen zu überzeugen. Hier ist alles sehr formalisiert, in der Regel darf man drei Minuten reden, was natürlich oft eine sehr große Herausforderung ist.

Sie haben schon in vielen Projekten mitgearbeitet, auf welches sind Sie besonders stolz?

Ehrlich gesagt bin ich am meisten stolz auf den sogenannten Bremer Bildungskonsens. Ich habe ja vorhin über die Zeit erzählt, wo ich angefangen habe, mich politisch zu engagieren, da war Bildungspolitik stark ideologisiert. Da gab es eben diejenigen, die waren uneingeschränkt nur für die Gesamtschule und wollten alle Gymnasien abschaffen, möglichst lange gemeinsames Lernen. Und dann gab es welche wie wir, die gesagt haben, wir sind eigentlich im Prinzip für ein gegliedertes Schulsystem. Dann gab es immer unterschiedliche Regierungen und jede hat sich immer probiert und am Ende hatten wir in Bremen glaube ich vierzig unterschiedliche Schulformen. Und ich habe damals den Bremer Bildungskonsens initiiert, weil ich gesagt habe, ich möchte nicht länger über Strukturfragen streiten, sondern ich möchte gemeinsam dafür sorgen, dass wir einmal eine Struktur überparteilich verabreden und so dann eine bessere Schule organisieren. Und den haben andere Bundesländer teilweise nachgemacht und ich würde sagen, das ist etwas, wo ich besonders stolz drauf bin, weil es ihn heute noch gibt und wovon ich noch heute überzeugt bin, dass es gut ist, Bildungspolitik nicht mit ideologischen Scheuklappen zu machen, sondern das gemeinsam zu machen und darüber zu streiten, wie man eigentlich in der Struktur bessere Schule machen kann.

Was ist Ihrer Meinung nach momentan die größte Herausforderung in der Politik?

Also da würde ich jetzt mittlerweile zwei Dinge sagen.

Früher hätte ich immer gesagt: Bildung, Bildung, Bildung. Ich werbe sehr dafür, dass wir in Deutschland von diesem Bildungsföderalismus wegkommen, wo wir 16 unterschiedliche Systeme, 16 unterschiedliche Ausstattungen und leider am Ende eben auch 16 unterschiedliche Bildungserfolge in den Bundesländern haben. Ich glaube nicht, dass Kinder schlauer sind, weil sie aus einem bestimmten Bundesland oder gut situierten bildungsaffinen Familien kommen, sondern, dass alle Kinder unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten haben. Der Auftrag eines staatlichen Bildungssystems ist eigentlich, diese Talente zu erkennen und optimal zu fördern und sich bestmöglich um das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler zu kümmern. Hinzu kommt, dass das Wissen in euren Köpfen die wichtigste Ressource ist, die wir in Deutschland haben, und wovon unsere ganze Leistungsfähigkeit abhängt. Deswegen finde ich das einfach verschwendete Energie, wenn wir das in 16 verschiedene Systeme zergliedern.

Das zweite ist, wir kommen aus einer langen Phase des Wohlstandes, des Friedens, der Demokratie und der Stabilität, in der ihr euch wahrscheinlich auch völlig frei einen Arbeitsplatz suchen könnt. Aus der kommen wir aber jetzt raus, weil wir merken, dass mit dem Krieg Russlands in der Ukraine, mit dem Konflikt im Nahen Osten, mit der Abhängigkeit von Lieferketten beim Gas, dass wir auch einen hohen Preis dafür bezahlt haben, dass wir immer in diesem Wohlstand gelebt haben und das wird nicht auf Dauer so weitergehen.

Deswegen glaube ich, ist die große Herausforderung an politische Entscheidungsträger, dass wir wieder Projekte priorisieren und sagen müssen, was uns das wichtigste ist und können nicht immer allen alles versprechen, sondern müssen ganz klar sagen, im Moment müssen wir in ein bestimmtes Projekt investieren, wie zum Beispiel Klimaschutz und dafür kommen andere leider zu kurz. Und man muss den Mut haben, Menschen zu sagen, was nicht geht.

Möchten Sie in Zukunft Bundestagsabgeordneter bleiben oder würden Sie zum Beispiel auch Minister oder Bundeskanzler werden wollen?

Ich bin mit Leib und Seele Abgeordneter. Ich war ja vier Jahre Senator, das war auch eine spannende Zeit. Aber ich liebe die Debatte und den Streit um die bessere Idee und den Parlamentarismus und das freie Wort, dass man für seine Überzeugung werben kann. Also ich bin, glaube ich, von meiner Veranlagung her geborener Parlamentarier.

Sie sind stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energien. Denken Sie, dass Deutschland genug für den Klimaschutz tut?

Im Saldo ja, aber ich finde, dass es noch zu kompliziert ist. Das große Beispiel ist dieses Heizungsgesetz gewesen. Das will ich gerne zugestehen, dass aus einer gut verstandenen Motivlage heraus entstanden ist, dass man über die Wärmeerzeugung in privaten Haushalten reden muss, wenn man klimaneutral werden möchte und da gibt es effektivere Methoden, das zu tun. Das finde ich richtig, aber darauf ist ein so großes bürokratisches Monster gelegt worden, dass wir das Ziel am Ende aus den Augen verloren haben und die Leute waren nicht davon überzeugt.

Ich habe den Eindruck, dass die Menschen im Moment denken, man kann die Klimaziele erreichen, ohne dass sich für ihr individuelles Leben etwas ändert und das wird so nicht möglich sein. Wir können das schaffen, die Klimaneutralität, zumindest in Deutschland, zu erzeugen. Damit ist das Klima natürlich noch nicht gerettet, weil wir um uns herum Länder haben, die nicht so ehrgeizige Klimaschutzziele haben, aber ich glaube, in Deutschland können wir das schaffen, wenn die Leute davon überzeugt sind.

Und auch zu dem Thema, was halten Sie von Deutschlands Atomaustritt?

Ich bin davon überzeugt, dass es richtig war, damals nach Fukushima die deutschen Kernkraftwerke abzuschalten. Allerdings muss man mit dem Wissen von heute sagen, dass wir uns da eigentlich überfordert haben, weil wir aus der Kernenergie ausgestiegen sind und danach darüber geredet haben, dass wir auch aus der Kohle aussteigen müssen. Damit sind wir die einzige Volkswirtschaft weltweit, die auf zwei Energiequellen verzichtet hat. Aber das konnten wir nicht kompensieren, denn so schnell sind regenerative Energien nicht mitgewachsen. Deswegen würde ich sagen, mit dem Wissen von heute war es wahrscheinlich falsch herum. Wir hätten uns erst von der wesentlich umweltschädlicheren Kohle verabschieden müssen, um uns danach um den Atomausstieg zu kümmern.

Wenn es in Zukunft aber irgendwann eine wissenschaftliche Entwicklung gibt, die die Nutzung von Kernspaltung möglich macht ohne die Risiken, also insbesondere ohne das Endlagerproblem, bin ich dafür, dass wir sie auch nutzen.

Wenn sie jetzt alleine regieren könnten, was würden sie dann in der Politik verändern?

Ich würde auf jeden Fall mein Herzensprojekt angehen und sagen, wir müssen zu einer nationalen Anstrengung im Bereich Bildung kommen. Es muss sowas wie eine deutsche Bildungsoffensive geben, wo wir das machen, was wir eben besprochen haben

Das zweite ist, dass wir in der Europäischen Union mehr Gemeinsamkeit erzeugen in den zentralen Themen. Die Migration ist zum Beispiel in Deutschland eine große Herausforderung, wäre aber für alle europäischen Mitgliedsstaaten kein Problem.

Deswegen wäre mein zweites großes Projekt, wenn wir die absolute Mehrheit hätten, dafür zu sorgen, dass es mehr Gemeinsamkeit in Europa gibt.

Welche Stadt mögen sie lieber, Berlin oder Bremen?

Allein weil ich Fußballfan bin, mag ich Bremen lieber.

Ich muss schon sagen, Berlin hat auch etwas. Es ist natürlich wesentlich größer, es bietet viel mehr Kultur und Veranstaltungen und es ist schon eine tolle Stadt. Aber Bremen ist meine Heimat und dort fühle ich mich auch wohler. Ich bin auch mehr in Bremen als in Berlin. Also die Wochenenden in der Regel immer und die Sitzungsfreien Wochen auch.

Vielen Dank für Ihre Zeit.

Frau Lührs, was macht man eigentlich als stellvertretende Schulleiterin?

Seit letztem Jahr Oktober ist Tatjana Lührs stellvertretende Schulleiterin vom Gymnasium Horn. Doch welche Aufgaben hat man eigentlich als stellvertretende Schulleiterin? Und welche Qualifika-tionen und Kompetenzen muss man mitbringen?

 

Sie haben hier in Ihrem Büro einen Harry Styles Pappaufsteller stehen. Was hat es damit auf sich?

Ich liebe Harry Styles. Ich mag seine Musik und das, wofür er steht: “Treat people with kindness”. Es ist also egal, wer und wie man ist, man soll einfach gut zu seinen Mitmenschen sein.

Wie sieht Ihr Leben außerhalb der Schule aus?

Im Moment ist das reduziert, weil ich gerade sehr viel arbeite. Aber ich habe eine Familie, nämlich einen Mann und eine Tochter. Die beiden möchten natürlich auch Zeit mit mir verbringen. Wir reisen viel und gerne und dann treffe ich mich natürlich mit Freunden. Zusätzlich ist Theater eine Sache, die ich gerne mache.

Trotz der vielen Arbeit verbringen Sie noch genug Zeit mit Ihrer Familie?

Ja, aber manchmal fragen die schon nach, wo ich denn bleibe. Dann bekomme ich WhatsApp-Nachrichten, ob ich noch zum Abendbrot nach Hause komme. Aber wir versuchen immer, uns diese gemeinsamen Zeiten zu nehmen. Abendbrot ist tatsächlich ein bisschen heilig bei uns, weil wir uns da gegenseitig austauschen.

Wie war Ihr Verhältnis zur Schule, als Sie noch Schülerin waren?

Bis zur Oberstufe noch vollkommen in Ordnung. Ich bin einfach so mitgegangen, das war nie ein Problem. Auch in der elften war noch alles okay, aber in der zwölften Klasse musste ich ein paar Erfahrungen machen, die damit zu tun hatten, dass ich ehrlich gesagt nicht so fleißig war, wie ich hätte sein sollen. Ich konnte das glücklicherweise noch umdrehen. Ich habe aber Verständnis für Schüler:innen, die auch andere Sachen als Schule im Kopf haben.

Wie war dann ihr Abiturschnitt?

lacht. Das ist sehr unangenehm. Der war leider tatsächlich nicht so gut. Der lag im knappen 3er-Bereich. Wie gesagt, ich konnte das Ruder noch herumreißen. Wenn ich mehr dafür getan hätte, wäre es auch deutlich besser geworden. Ich habe eben in der Mittelstufe nie etwas tun müssen und hatte immer gute Noten, teilweise sehr gute Noten, aber das ist mir leider in der Oberstufe nicht mehr gelungen.

Wie ging es nach der Schule weiter? Was wollten Sie aus Ihrem Leben machen?

Ich war erstmal von dieser ganzen Schulgeschichte ein wenig bedient. Ein Studium konnte ich mir in dem Moment gar nicht vorstellen. Ich habe dann schon schnell mit einer Ausbildung zur Buchhändlerin angefangen. Das war alles sehr klassisch. Das ist eine kaufmännische Ausbildung mit sehr viel Literaturwissen. Dann habe ich tatsächlich in diesem Gebäude, vom heutigen Gymnasium Horn, meine Berufsschule absolviert. Nach der Ausbildung war ich weiterhin auf der Suche nach einem Beruf.

Haben Sie zuvor irgendwo anders gearbeitet?

Ja. Ich habe die Ausbildung zur Buchhändlerin in Oyten gemacht. Dann habe ich angefangen, in diesem Beruf zu arbeiten. Danach war ich für einige Monate in Australien. Nachdem ich dann nochmal in Verden als Buchhändlerin gearbeitet hatte, habe ich gemerkt, dass mir das nicht wirklich reicht. Dann habe ich mit 24 Jahren angefangen, Lehramt zu studieren und durch Praktika festgestellt, dass das der richtige Beruf ist. Mir war auch klar, dass ich von der fünften bis zur 13. Klasse unterrichten wollte. Mein Studium habe ich, im Gegensatz zu meinem Abitur, sehr gut abgeschlossen. Damals war es noch so, dass wir trotz des guten Abschlusses nicht unbedingt einen Referendariatsplatz bekommen haben. Das lag am Fach Religion, welches ich unterrichte. Es gab in dem Fach nur zwei Plätze, die jedes Jahr vergeben wurden. Es gab da Menschen, die vier oder fünf Jahre auf einen Referendariatsplatz gewartet haben. Ich musste anderthalb Jahre warten. In der Zeit habe ich etwas ganz anderes gemacht und angefangen, in der Werbung zu arbeiten. Als ich den Referendariatsplatz dann hatte, bin ich an eine Schule in Bremen-Nord gegangen.

Wie lange arbeiten Sie schon am Gymnasium Horn?

Seit 2002. Ich habe hier während des Referendariats ein Praktikum gemacht und eine Prüfung abgelegt. Dadurch habe ich auch diese Schule sowie Frau Kelm, unsere ehemalige Schulleiterin, kennengelernt. Als ich mit dem Referendariat fertig war, hat Frau Kelm mich aus Bremen-Nord weggeholt und hier an die Schule gebracht. Als ausgebildete Lehrerin habe ich 2003 fest hier angefangen.

Welche Fächer unterrichten Sie?

Deutsch als Zweitsprache. Das habe ich in erster Linie studiert. Dabei muss man ganz normal Germanistik studieren, also unterrichte ich auch in regulären Klassen Deutsch. Und außerdem Religion. Zusätzlich kann ich noch, weil ich während meines Studiums ein paar Semester Philosophie studiert habe, Philosophie in der Mittelstufe unterrichten.

Frau Lührs an ihrem Schreibtisch – © Philipp Olde Kalter

Nun sind Sie Stellvertretende Schulleiterin. Warum wollten Sie das machen?

Eigentlich wollte ich nie wirklich in die Schulleitung. Das hat sich einfach durch diese tolle Schule und die Arbeit hier ergeben, dass ich immer geguckt habe, was man noch verändern könnte. So bin ich vor sehr langer Zeit in eine Steuergruppe gerutscht. Weil ich Teil dieser Steuergruppe war, wurde ich, als das Prinzip der Jahrgangsleitung eingeführt wurde, angesprochen, ob ich mich nicht auf eine solche Stelle bewerben möchte. Das habe ich mit meiner Familie besprochen, mich anschließend beworben und bin es auch geworden.

Die Aufgabe habe ich dann eine ganze Zeit lang übernommen. Irgendwann fand dann wieder eine Umstrukturierung in der Schulleitung statt. Dann kam wieder eine ähnliche Situation wie vorher vor. Eigentlich machte mir alles Spaß und ich war zufrieden mit meinem Job. Aber dann wurde ich wieder angesprochen, ob ich nun stellvertretende Schulleiterin werden wollte. Dann habe ich mich beworben und bin jetzt stellvertretende Schulleiterin.

Was sind Ihre Aufgaben als stellvertretende Schulleiterin?

Die Schulleitung, also Frau Preuschoff und ich, haben sehr viele verschiedene Aufgaben. Ich bin im Moment mit Frau Preuschoff und den anderen Mitgliedern der Schulleitung dabei zu gucken, was da eine sinnvolle Arbeitsteilung ist. Wir teilen uns die Termine auf und machen gemeinsame Termine, in denen wir mit den Statusgruppen zusammenarbeiten.

Ich bin unter anderem für die Fortbildungen zuständig. Da kümmere ich mich um das Budget et cetera.

Im Moment bin ich auch noch als Jahrgangsleitung für den fünften Jahrgang zuständig, was aber mit meinem Job als stellvertretender Schulleiterin nichts zu tun hat.

Ich übernehme im Moment generell ganz viele Organisationsaufgaben und beantworte zum Beispiel rechtliche oder organisatorische Fragen von Kolleg:innen.

Und das waren alles Aufgaben, die Frau Preuschoff erst so ziemlich alleine bewältigen musste. Die hat sie jetzt teilweise an mich übertragen.

Sie sind auch didaktische Leitung. Was bedeutet das?

Als didaktische Leitung bin ich für den Unterricht und seine Qualität zuständig. Ich habe die Verantwortung dafür, dass bei uns der Unterricht gemäß der Bildungspläne stattfindet. Eine meiner ersten Amtsaufgaben war, dass ich den Fachkonferenzen noch mal den Auftrag gegeben habe, die schulinternen Curricula anzupassen. Da habe ich ein paar Vorgaben gegeben, die meines Erachtens wichtig zu erfüllen sind. Zum Beispiel, wie viele Klassenarbeiten geschrieben und in welchem Verhältnis schriftliche und mündliche Leistung gewertet werden.

Welchen Anspruch haben Sie als stellvertretende Schulleitung an sich selbst?

Mein Anspruch ist, für möglichst alle Statusgruppen und an der Schule beteiligten Personen da zu sein und zu unterstützen, aber auch für die Schule insgesamt zu arbeiten. Das ist manchmal nicht ganz einfach, weil man etwas für Schüler tun möchte,und  dann gibt man Kollegen wieder Aufgaben damit, die sie belasten. Mein Anspruch an mich ist es, dort Wege zu finden, dass alle hier an der Schule gut zurechtkommen.

Welche Qualifikationen und Kompetenzen bringen Sie mit, um Ihr neues Amt zu bewältigen und Ihren Ansprüchen gerecht zu werden?

Ich habe durch die Jahrgangsleitung schon Erfahrungen gemacht, sodass ich mich mit bestimmten Dingen schon auskenne. Eine weitere Kompetenz ist, dass mir Kommunikation sehr wichtig ist. Ich glaube, dass das eine Kompetenz ist, die mir hilft, mit allen immer möglichst gut ins Gespräch zu kommen und dass dort auch versuche, zielorientiert zu sein. Also nicht zu gucken, was nicht geht, sondern in schwierigen Situationen zu schauen, was wir tun können, um in einem oder zwei Monaten an einem anderen Punkt zu stehen.

Das neue Amt bringt mehr Arbeit mit sich. Bedeutet das auch mehr Stress für Sie?

Mehr Stress würde ich nicht sagen. Es ist anderer Stress, weil da ein anderer Druck seitens der Behörde ist, dass bestimmte Dinge nochmal mehr umgesetzt werden müssen.

Wie gehen Sie mit diesem neuen Stress um?

Glücklicherweise habe ich eine Familie, die mich da sehr unterstützt und auch Freundinnen und Freunde. Ich muss ganz ehrlich sagen, an dieser Schule und vor allem in der Schulleitung haben wir ein sehr offenes und vertrauensvolles Verhältnis. Wir reden viel miteinander und versuchen uns gegenseitig zu unterstützen. Das hilft so ungemein.

Was sind aktuell die größten und arbeitsintensivsten Herausforderungen an unserer Schule?

Ich bin im Präventionsteam, das ist für mich ein ganz großer Punkt. Auch das Thema Mobbing, das immer an Schulen stattfindet, ist etwas, das ich nochmal in Angriff nehmen möchte. Ich finde das sehr herausfordernd, weil man das immer wieder auch auf neue Arten thematisieren muss. Eine andere Herausforderung besonders in Bezug auf Unterricht ist künstliche Intelligenz. Das bekommt man außerhalb wahrscheinlich nicht so mit, aber hier im Büro arbeite ich daran herauszufinden, wie wir hier an der Schule damit gut umgehen können.

Sie haben bereits erzählt, dass das Amt in den privaten Alltag eingreift. Inwiefern verändert es den Berufsalltag?

Ich unterrichte weniger, musste gerade eine liebe fünfte Klasse abgeben, dabei unterrichte ich sehr gerne. Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust, aber muss man sich dann entscheiden. Ich bin zwar hier öfter länger im Büro, aber ich muss nicht mehr jedes Wochenende Klausuren korrigieren. Ich kann mir das jetzt besser einteilen.

Wirkt sich Ihre neue Position auf das Verhältnis zu den anderen Kollegen aus?

Ich habe viele Freundinnen und Freude im Kollegium, bei denen ist es nicht so, weil es da keine Schwierigkeiten gibt. Das könnte eventuell anders sein, wenn ich mit jemandem ein Dienstgespräch führen müsste, der mit mir befreundet ist. Aber ich werde glaube ich jetzt nicht mehr so sehr als Kollegin gesehen, sondern von einigen schon als Schulleitungsmitglied. Das ist eine Perspektive, die ich gar nicht habe, denn aus meiner Sicht bin ich immer noch ganz normale Kollegin. Ich glaube, da muss ich mich eher gewöhnen.

Frau Lührs mit ihrem Harry Styles Pappaufsteller – © Philipp Olde Kalter

Was macht Ihnen besonders viel Spaß an den neuen Aufgaben?

Dieses Organisieren und was in die Hand nehmen, zum Beispiel den Umgang mit KI. Ich habe auch das Gefühl, jetzt mehr mit anderen Schulen in Kontakt zu kommen und dass ich dort schauen kann, was die machen. Und auch diese Schule an sich zu unterstützen und voranzubringen. Und die Zusammenarbeit mit allen, mit Eltern, Schülern und den Kollegen. Das macht mir am meisten Spaß.

Möchten Sie auf lange Sicht auch Schulleiterin werden und können Sie sich vorstellen, dafür an eine andere Schule zu gehen?

Im Moment kann ich mir das gar nicht vorstellen, aber was ich mit meiner Familie schon mal besprochen hatte, war die Idee, irgendwann ins Ausland zu gehen. Eventuell wäre da eine Möglichkeit, auch als Schulleiterin oder in einer Schulleitung tätig zu werden. Aber im Moment hat das noch gar keine Relevanz, weil ich einfach total gerne hier bin.

Wie wichtig ist es Ihnen, was Schüler, Lehrer und Eltern über ihre Arbeit denken?

Ganz wichtig ist mir, dass die Arbeit einerseits professionell wirkt. Dass die Menschen um mich herum den Eindruck haben, dass ich gut vorbereitet bin, dass ich weiß was ich tue. Es würde auch an mir nagen, wenn das nicht so wäre. Und ein anderer Punkt ist das Menschliche. Ich möchte gerne trotz aller Professionalität immer auch diese menschliche Seite nicht verlieren. Wenn jemand also mit einem Problem zu mir kommt, dass ich sage, dafür gibt es immer einen Raum zum Sprechen. Diese Tür steht nicht nur als Tür offen, sondern auch im Inneren.

Mit welchem Kollegen verstehen Sie sich besonders gut?

lacht. Ich verstehe mich wirklich mit ganz vielen Kollegen gut. Wenn ich mal die Schulleitung rausnehme, dann ist Frau Bünte so ein bisschen meine Herzenskollegin.

Vielen Dank für das Interview.

 

Frau Lührs hinter ihrem Schreibtisch – © Philipp Olde Kalter

Einblick in die Politik: Staatsministerin Sarah Ryglewski im Interview

Auf unserer Schülerzeitungsfahrt nach Berlin hatten drei unserer Redakteur*innen die Gelegenheit, Sarah Ryglewski zu interviewen. Frau Ryglewski ist Abgeordnete der SPD für unseren Wahlkreis Bremen 1. Außerdem ist sie als Staatsministerin für Bund-Länder-Beziehungen und nachhaltige Entwicklung beim Bundeskanzler tätig.

 

Schülerzeitung: Können Sie sich zu Beginn erst einmal vorstellen?

Sarah Ryglewski: Mein Name ist Sarah Ryglewski. Ich bin 41 Jahre alt, in Köln geboren und lebe seit 2002 in Bremen. Ich bin schon seit meiner Jugend politisch engagiert. Damals habe ich mich vor allem in der Kommunalpolitik, aber auch im Kampf gegen Rechts und für mehr Bildungsgerechtigkeit engagiert. So bin ich dann bei den Jusos und somit der SPD gelandet. Dort habe ich mich dann ehrenamtlich engagiert und so Juso-Landesvorsitzende geworden. 2011 wurde ich Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, und 2015 bin ich dann als Abgeordnete in den Bundestag eingezogen. Vier Jahre später wurde ich Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, und daraufhin bin ich nach der Bundestagswahl im Jahr 2021 Staatsministerin im Bundeskanzleramt geworden.

Was hat zu Ihrem politischen Interesse geführt?

Ich bin in einem sehr politischen Elternhaus aufgewachsen und habe mich schon immer für Politik interessiert. Mein Vater war auch Mitglied in der SPD, und meine Eltern haben Wert darauf gelegt, dass meine Schwester und ich politische Zusammenhänge verstehen. Deshalb habe ich mir schon früh viele Gedanken zu politischen Themen gemacht. Mein politisches Engagement fing dann in meiner Jugend an. Zuerst habe ich mich im Bereich Umweltschutz politisch eingebracht, aber ich merkte schnell, dass mich Gerechtigkeitsthemen mehr beschäftigen. Ich habe mich deshalb damals zum Beispiel für einen besseren ÖPNV engagiert.

Was sind Ihre politischen Ziele und Schwerpunkte?

Da gibt es viele, zum Beispiel beschäftigen mich Gerechtigkeitsthemen sehr. Aber auch die Möglichkeit der politischen Mitgestaltung von Menschen vor Ort ist mir sehr wichtig und aus diesem Grund die Kommunalpolitik. In diesem Zusammenhang beschäftigt mich die Frage, ob die Kommunen finanziell gut genug ausgestattet sind, da hier die Leute am unmittelbarsten erfahren, ob sie in irgendeiner Weise Dinge in der Bürgerschaft oder im Beirat mitentscheiden können.

Gab es in Ihrer politischen Laufbahn etwas, das Sie besonders stark in Erinnerung haben?

Bisher hat mir alles, was ich gemacht habe, Spaß gemacht, auch weil alles sehr unterschiedlich war. Besonders mein Amt als parlamentarische Staatssekretärin fand ich sehr interessant, weil ich dort sozusagen als Bindeglied fungiert habe. Das bedeutet, ich habe einen Minister, insbesondere in den Ausschüssen, aber auch nach außen hin vertreten. Ich konnte dort vermitteln, was die Abgeordneten wollen, aber auch was die Regierung will. So kann man ziemlich viel gestalten. Gleichzeitig hatte ich, da ich damals weiterhin Parlamentarierin war, die Möglichkeit, viel von dem, was man vor Ort noch erlebt, in den Gesetzgebungsprozess mit einzubringen. Während Corona habe ich zum Beispiel viele Gespräche mit den Verbänden in Bremen geführt. Da haben mich häufig Leute aus dem Ministerium gebeten, bestimmte Themen in Berlin zu besprechen. Man merkt nämlich, wie lange es auf normalem Wege dauern kann, bis Themen dahin vordringen. Aber auch mein jetziges Amt finde ich sehr spannend, da ich jetzt sehr nah mit dem Bundeskanzler zusammenarbeite. Zum anderen finde ich die Regierungskoordination und die Vermittlung zum Parlament, aber auch die Arbeit mit den Bundesländern sehr interessant.

Warum hat Herr Scholz Sie für Ihr jetziges Amt vorgeschlagen? 

Ich kannte ihn schon aus der Zeit, als er Finanzminister war. Damals hat er als Nachfolger von Christine Lambrecht schnell eine Person gebraucht, die schon genügend Erfahrung hatte und die auch mitten in der Legislaturperiode als parlamentarische Staatssekretärin einspringen konnte. Weil ich diese Kriterien erfüllt habe, hatte sich das angeboten. Ich bekam dann einen sehr positiven Eindruck, da wir im Themenbereich Finanzen in bestimmten Punkten unterschiedliche Auffassungen hatten. Darüber haben wir uns sehr offen ausgetauscht. Über die zwei Jahre bis zu seiner Wahl als Bundeskanzler hatten wir eine sehr gute Zusammenarbeit, und dann fragte er mich 2021, ob ich mir vorstellen könnte, die Funktion als Staatsministerin beim Bundeskanzler zu übernehmen.

In welcher Weise steht Ihre Arbeit mit der Arbeit des Bundestags in Verbindung? 

Für das, was ich im Moment mache, muss man Bundestagsabgeordnete sein, weil ich beispielsweise die Bundesregierung im Ältestenrat vertrete. Das ist quasi die Regierung des Parlaments, wo zum Beispiel die Tagesordnung, aber auch Streitigkeiten besprochen werden. Da ist es gut, wenn man die parlamentarischen Abgeordneten kennt, weil man weiß, was die Fraktionen umtreibt. Auch wenn es um Gesetzgebung geht, führe ich mit den Fraktionen viele Gespräche, um zum Beispiel zu schauen, ob es Probleme gibt, die schon frühzeitig gelöst werden können. Für mich als Bremer Bundestagsabgeordnete ist es noch gut, dass ich schon vieles mitbekomme, was über meinen Schreibtisch geht. Auch wenn ich natürlich kein Bundesland bevorzugen darf, kann ich im Austausch dann schon den ein oder anderen Hinweis geben, der gut für Bremen ist.

 

Sie sind unter anderem für Nachhaltige Entwicklung zuständig. Was haben Sie in diesem Amt schon erreicht?

Ich bin dafür zuständig, Themen im Bereich Nachhaltige Entwicklung zwischen den einzelnen Ministerien zu koordinieren. Dieser Themenbereich erstreckt sich nämlich in ganz viele Bereiche, wie Umweltschutz, Wirtschaftspolitik, aber auch Entwicklungszusammenarbeit. Meine Aufgabe ist es, dass wir alles vernünftig miteinander koordiniert bekommen. Im Moment arbeiten wir zum Beispiel an der Entwicklung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Ich bin auch sehr stolz darauf, dass wir es schaffen, neben der ökologischen Dimension und dem Thema Klimaschutz auch die soziale Dimension, wie zum Beispiel Bildungspolitik, nach vorne zu stellen.

Was sind gerade die größten Herausforderungen in Ihrem Aufgabenfeld? 

Im Bereich Nachhaltigkeit ist es gerade die Aufstellung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Wir haben damit schon vor einem halben Jahr angefangen und sind im Moment dabei, das Ganze zu verschriftlichen. Ab April oder Mai können dann übrigens online auch Anregungen zu dem Thema eingebracht werden. Bis wir das alles zusammengebunden haben, wird es aber noch bis Herbst dauern. Da haben wir also noch ordentlich Arbeit vor uns. Tatsächlich ist im Moment aber meiner Meinung nach die größte Herausforderung die Frage der Klimaneutralität von Deutschland. Gerade wenn wir weniger abhängig von fossilen Brennstoffen sein wollen, muss sich in Deutschland noch eine Menge ändern.

Wollen Sie in Zukunft noch für andere Positionen kandidieren?

Ich habe in den letzten zehn Jahren gelernt, dass in der Politik nichts wirklich planbar ist. Ich achte eher darauf, dass ich mein jetziges Amt gut ausführe. Eigentlich hängt es sehr davon ab, ob es in dem Moment gerade passt, für eine bestimmte Position zu kandidieren.

Warum sollten junge Menschen der SPD beitreten oder sie wählen? 

Die Themen, die uns viel beschäftigen, sind jetzt noch sehr aktuell. Uns sind vor allem Themen zur Gerechtigkeit wichtig. Gerechtigkeit ist meiner Meinung nach das wichtigste Thema überhaupt, natürlich nicht nur Gerechtigkeit im Inland, sondern auch global, zum Beispiel in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit. Natürlich sind wir eine Partei, in der auch viele ältere Menschen aktiv sind, aber ich persönlich fand es immer ganz spannend, in meinen Ortsverein zu gehen, wo ich dann mit Leuten zu tun hatte, die 50-60 Jahre älter als ich waren, die mich ernst genommen haben, die ich aber auch ernst nehmen musste. Dieser Respekt war wichtig, um gemeinsam etwas erreichen zu können. Der Austausch zwischen Generationen war für mich etwas Besonderes, da dieser in meinem normalen Alltag eher selten möglich war.

Sie sind im Kampf gegen Rechts engagiert. Was sagen Sie zu den wachsenden AfD-Umfragewerten?

Wie viele andere, besorgt mich dies auch. Letztens veröffentlichte Correctiv die Enthüllungen zu dem Treffen in Potsdam. Auch wenn man sich Bundestagsdebatten anschaut, ist dieses Treffen keine Überraschung. Die AfD ist eigentlich schon immer sehr offen damit umgegangen, dass laut ihrer Auffassung bestimmte Menschen, wie beispielsweise Ausländer, Homosexuelle und Trans-Menschen, nicht zu diesem Land gehören. Es bedrückt mich, dass manche Leute das offensichtlich gut finden. Es ist auch ganz wichtig zu betonen, dass jeder, der die AfD wählt, rechts wählt. Auch wenn sicherlich nicht jeder von diesen Menschen rechts ist, dürfen sie sich nicht vor dieser Tatsache verstecken.

Sie arbeiten hier in Berlin, leben aber in Bremen. Wie oft sind Sie in Berlin? 

Also, wenn Sitzungswoche ist, bin ich eigentlich immer hier in Berlin. Seitdem ich im Kanzleramt bin, bin ich auch, wenn keine Sitzungswoche ist, mehrere Tage in Berlin. Das kann man aber nicht genau sagen. Ich versuche aber immer mindestens einen Werktag die Woche in Bremen zu sein, um Termine im Wahlkreis zu machen, aber natürlich auch, weil mein Mann und ein Teil meiner Familie dort leben.

Welche Stadt mögen Sie lieber, Berlin oder Bremen?

Ich mag beide Städte total gerne. Ich habe eigentlich drei Städte, an denen mein Herz hängt, das sind Bremen, Berlin und Köln. Ich mag die alle unterschiedlich. Köln ist die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin, und gerade den Rhein finde ich sehr schön. In Bremen ist es ähnlich. Dort bin ich quasi erwachsen geworden, die meisten meiner Freunde leben in Bremen, und ich finde es immer noch toll, diese Stadt in Berlin vertreten zu dürfen. Berlin ist dann wieder ganz anders. Ich habe das Glück, im Gegensatz zu anderen Abgeordneten, hier nicht nur zum Arbeiten herzukommen. Ich habe nämlich auch hier einige Freunde, und auch ein Teil meiner Familie lebt in dieser Stadt. Ich sehe es als Privileg, gleich drei tolle Städte zu haben, in denen ich mich so ein bisschen zu Hause fühle.

Vielen Dank für das Interview.

 

 

Frau Korsch, wieso wollten Sie Vertrauenslehrerin werden?

Seit 2008 unterrichtet Katharina Korsch am Gymnasium Horn Deutsch und Sport. Seit dem Jahr 2024 ist sie mit 40,8% der Stimmen die neue Vertrauenslehrerin der Schule. Mit welcher Intention sie an die Sache herangeht und welche Ambitionen sie für das neue Amt hat, fragten wir sie in diesem Interview.

 

Seit wann sind Sie am Gymnasium Horn und welche Fächer unterrichten Sie?

Ich bin seit Mai 2008 am Gymnasium Horn und unterrichte Deutsch und Sport.

Seit dem neuen Jahr sind Sie Vertrauenslehrerin vom Gymnasium Horn. Sie haben die Wahl mit 40,8 Prozent der Stimmen gewonnen. Was denken Sie, warum Sie gewählt wurden?

lachend. Weil ich so ein lieber Mensch bin. Nein, ich weiß es nicht. Diese Frage gebe ich eigentlich lieber zurück. Warum junge Menschen mir vertrauen, können sie sich ja am besten selber beantworten. Ich würde mir selbst auch vertrauen und freue mich deswegen auch darüber, dass andere das auch tun.

Wieso haben Sie sich für das Amt der Vertrauenslehrerin aufstellen lassen?

Ich habe mich aufstellen lassen, weil ihr mich gefragt habt. Die erste Voraussetzung dafür, dass ich kandidiere, war, dass ich mich nicht selbst anbieten wollte. Ich finde es sinnvoller und netter, wenn Schüler selbst den Wunsch äußern, dass ich mich aufstellen lasse.

Warum finden Sie, dass Sie für das Amt geeignet sind?

Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen seit ungelogen über 30 Jahren fast täglich zusammen, also seitdem ich 19 Jahre alt bin. Ich habe schon so viele Kinder und Jugendliche in Kinder- und Jugendeinrichtungen betreut, dass ich ganz viele verschiedene Schicksale kennengelernt habe. Deswegen bin ich auch der Meinung, dass ich mich in die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen gut einfühlen kann. Deshalb sehe ich mich da auch als geeignete Person.

Wo haben Sie denn vorher gearbeitet?

Einmal in einem Jugendfreizeitheim, das heißt die Bude in der Neuen Vahr Nord. Dann habe ich irgendwann im Freizeitheim Stackamp gearbeitet, was ein Brennpunkt ist. Es gab dort einen Sonderbereich, der Lückeprojekt hieß. Dort konnten junge Menschen leben zwischen zehn und fünfzehn leben, die dort hingekommen sind, weil sie zuhause niemand erwartet, weil sie kein Mittagessen vorfinden und sich eben generell nicht genug um sie gekümmert wird. Also habe ich mich um sie gekümmert. Der Job war fast noch fordernder als mein Beruf jetzt als Lehrerin, weil manche Menschen eben wirklich schlimme Schicksale mitgebracht haben. Das war auch erstmal begleitend zum Studium, weil ich mir natürlich auch mein Geld verdienen musste.

Dann haben Sie ja schon reichlich Erfahrungen mit Kindern. Was erwarten Sie denn von diesem Amt?

Eigentlich erwarte ich gar nichts. Ich bin einfach da, für alle die, die von mir etwas erwarten und sich mir öffnen möchten. Ich bin offen für alle, die ihre Probleme mit mir teilen möchten und dies nicht an anderer Stelle tun können.

Also haben Sie noch keine wirklichen Vorstellungen von dem, was da genau auf sie zukommt?

Nicht so wirklich. Ich habe mich schon einmal mit Frau Lührs zusammengesetzt, die mir auch direkt eine Broschüre zu dem Thema gegeben hat. Eine Erwartung ist, wo ich gerade über nachdenke, dass ich eng mit euch als Schülervertretung zusammenarbeiten werde. Ich gehe davon aus, dass wir in engem Kontakt sein werden und wir auch Projekte zusammen angehen können.

Meinen Sie, dass Sie die mit dem Amt verbundenen Aufgaben gut bewältigen können?

Ja.

Welche Erwartungen haben Sie dabei an sich selbst?

Meine Erwartung an mich selbst ist, den Schüler:innen gerecht zu werden. Natürlich auch in Punkten, wo das wirklich schwierig wird, weil es das System der Schule nicht so hergibt. Was ich mir als Aufgabe gesetzt habe, ist, mich für das Amt auch weiterzubilden. Ich werde nach Fortbildungen gucken, um das Amt so gut wie es geht ausführen zu können.

Was sind Ihre Ziele für das Jahr in Bezug auf Ihr neues Amt?

Die Fortbildungen sind ein Ziel von mir. Ein weiteres Ziel wäre, dafür zu sorgen, dass wir einen Raum bekommen, in dem wir uns ungestört mit Schüler:innen zurückziehen können, für ein Gespräch im Rahmen des Amtes. Darüber habe ich auch mit Frau Lührs gesprochen und wir waren uns einig, dass es so, wie es bisher ist, nicht gut ist. Der Glaskasten im Lehrerzimmer ist natürlich doof, weil man da für alle Lehrkräfte sichtbar ist. Der Horn Plus Raum wäre ein weitgehend ungenutzter Raum, der für die Zwecke sehr gut geeignet wäre.

Was wollen Sie in Ihrem Beruf als Lehrerin dieses Jahr anders machen als letztes Jahr?

Neujahrsvorsätze habe ich eigentlich nie. Ich bin mit meinem Leben wirklich zufrieden. Wenn mal Probleme auftreten, gehe ich sie direkt an. Ich kenne auch meine Schwächen.

Was sind denn Ihre Schwächen?

Meine Schwäche ist zum Beispiel, dass ich im Unterricht zu viel außerhalb vom Thema rede. Und dass ich mich immer selbst ablenke. Ich kann mir gut vorstellen, dass man mir früher, wenn es das damals schon gegeben hätte, ADHS oder ähnliches diagnostiziert hätte.

Was würden Sie am Gymnasium Horn verändern, wenn Sie es könnten?

Ich würde damit anfangen, den Unterricht später beginnen zu lassen. Dann würde ich gerne Lerninseln einführen. Das bedeutet, dass sich Kinder und Jugendliche zu gemeinsamen Themen in verschiedene Räumlichkeiten zurückziehen können und zusammen an Projekten arbeiten können.

Das sind aber leider Dinge, die sehr schwierig umzusetzen wären und wofür auch das Geld fehlt. Ich rede normalerweise nicht so gerne darüber, was ich in der Theorie verändern wollen würde, sondern ich versuche eigentlich immer, in dem Rahmen zu handeln, der vorgegeben wurde und ihn so weit auszudehnen, wie es geht.

Was sind denn Beispiele dessen, was Sie jetzt bereits tun?

Was ich gerne mache, ist im Deutschunterricht anstatt von schriftlichen Klassenarbeiten eher auf Arbeitsersatzleistungen zurückzugreifen, weil ich finde, dass manche in dieser schriftlichen Form versagen. Dann ist es nett, wenn sie ein Format finden, in dem sie auch mal glänzen können. Das heißt gar nicht, dass sie das schriftliche nicht lernen sollen, aber da gibt es auch andere Zeitpunkte für. Beispiele für solche Arbeiten sind, einen Film zu drehen oder ein Lesetagebuch zu erstellen. Das sind Maßnahmen, die man im Deutschunterricht gut umsetzen kann.

Wie haben Sie sich auf das Amt vorbereitet?

Noch gar nicht, bis auf das Gespräch mit Frau Lührs.

Mit welchen Themen kann man sich an Sie wenden?

Ich glaube mit allen Themen, wenn man möchte. So sehe ich mich als Vertrauenslehrerin. Was das Schulische betrifft sowieso: Wenn es Probleme zwischen Schüler:innen untereinander gibt oder welche zwischen Schüler:innen und Lehrer:innen. Aber auch wenn es mal etwas Privates ist. Da sehe ich mich sogar noch ein bisschen mehr, weil ich immer denke, dass ich da ein gutes Glied bin, wenn man nicht alles mit seine:r Klassenlehrer:in oder Fachlehrer:in besprechen möchte. Und vor allem auch wer seine Probleme nicht mit den Eltern besprechen möchte, kann gerne zu mir kommen.

Ich bin zwar keine Psychologin, aber ich bin davon überzeugt, dass ich Kinder und Jugendliche in ihrem emotionalen Durcheinander gut betreuen kann.

Denken Sie, dass Sie bei allen Problemen selbst helfen können?

Nein, das wird ja nie so sein. Wenn ich aber ein Problem nicht bewältigen kann, dann verweise ich auf andere Stellen, die dafür gut geeignet sind. Dafür gibt es auch klare Richtlinien, was ich zu tun habe, wenn bestimmte Fälle auftreten. Wenn etwas beispielsweise in Richtung Suizid geht, dann ist der rechtliche Rahmen, dass ich das melden muss.

Wo findet man Sie und wie kann man Sie erreichen?

Man findet mich immer hier in der Schule außer montags im Moment. Erreichen kann man mich über itslearning. Das heißt nicht, dass ich alle fünf Minuten auf itslearning gucke, aber wenn man mich erreichen möchte, dann findet man mich.

Vielen Dank für das Interview.

 

 

Herr Wolpmann, wieso wollten Sie Vertrauenslehrer werden?

Seit 2017 unterrichtet Tim Wolpmann am Gymnasium Horn Physik und Biologie. Seit dem Jahr 2024 ist er mit 51,5% der Stimmen der neue Vertrauenslehrer der Schule. Mit welcher Intention er an die Sache herangeht und welche Ambitionen er für das neue Amt hat, fragten wir ihn in diesem Interview.

 

Seit wann sind Sie an der Schule und welche Fächer unterrichten Sie?

Ich bin seit 2017 am Gymnasium Horn. Ich habe hier damals als Vertretungslehrkraft begonnen und anschließend mein Referendariat absolviert. Seit 2019 bin ich reguläre Lehrkraft. Ich unterrichte Physik, Biologie und auch Digitale Medien.

Nun sind Sie seit dem neuen Jahr Vertrauenslehrer und wurden von 51,5 Prozent der Schülerschaft gewählt. Was denken Sie, warum Sie gewählt wurden?

Mir ist es wichtig, Schüler/innen auf Augenhöhe zu begegnen. Ich glaube, dass ich dadurch in der Vergangenheit immer ein ganz gutes Verhältnis zu meinen Schüler/innen hatte. Ich könnte mir vorstellen, dass dadurch viele Vertrauen zu mir haben.

Wieso haben Sie sich denn als Vertrauenslehrer aufstellen lassen?

Die Schülerschaft ist auf mich zugekommen und hat mich für diese Aufgabe vorgeschlagen. Ich weiß nicht, ob ich mich beworben hätte, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Ich habe mich dann aufstellen lassen, weil ich die Aufgabe des Vertrauenslehrers als sehr wichtig einschätze. Es ist wichtig, dass die Schüler/innen eine Person haben, mit der sie vertrauensvoll reden können. Und ich finde die Aufgabe auch einfach interessant.

Warum finden Sie, dass Sie für das Amt geeignet sind?

Ob ich das tatsächlich bin, müssen andere beurteilen. Aber ich denke, dass ich ganz empathisch mit Schüler/innen, Lehrer/innen und Eltern kommunizieren kann und mich für das Wohl der Schüler/innen engagiere. In vergangenen Konfliktsituationen, die ich miterlebt habe, konnte ich betroffenen Schüler/innen eigentlich immer ganz gut helfen. Ich denke, dass ich für viele Problemsituationen Lösungsstrategien kenne.

Was erwarten Sie denn von dem Amt oder welche Vorstellungen haben Sie?

Ich denke, dass das Amt mit vielen verschiedenen Aufgaben verbunden ist. In erster Linie gehe ich davon aus, dass sich Schüler/innen mit persönlichen Problemen an mich bzw. uns wenden. Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass es hierbei um Probleme mit Mitschüler/innen oder auch Lehrkräften geht. Hier bieten wir Vertrauenslehrkräfte einen geschützten, vertrauensvollen Raum an, wo alle Schüler/innen frei reden und ihre Sorgen loswerden können. Das Amt ist mit einer Schweigepflicht verbunden. Sensible Informationen, die uns im Rahmen unseres Amtes anvertraut werden, geben wir also nicht ohne Zustimmung der betroffenen Personen weiter.

Haben Sie als Vertrauenslehrer Ziele für das neue Jahr?

Ein Ziel, das ich immer habe, ist persönliche Weiterentwicklung. Ich habe die Hoffnung, dass ich im Rahmen dieser neuen Aufgabe mit Situationen konfrontiert werde, von denen ich für die Zukunft lernen kann.

Gibt es etwas, das Sie dieses Jahr als Lehrkraft anders machen wollen als letztes Jahr?

Ich habe mir selbst langfristige Ziele gesetzt, die ich als Lehrer erreichen möchte. Ich habe z.B. eine Vorstellung davon, wie guter Unterricht aussieht. Den damit verbundenen eigenen Ansprüchen versuche ich einfach gerecht zu werden. Daran arbeite ich.

Was sind diese Vorstellungen oder Erwartungen an sich selbst?

Ich möchte zeitgemäßen und innovativen Unterricht machen. Dafür muss man sicherlich mit der Zeit gehen und auch Möglichkeiten der voranschreitenden Digitalisierung ergreifen.

Was würden Sie gerne an der Schule verändern, wenn Sie könnten?

Das ist eine komplexe Fragestellung, über die man lange diskutieren kann.

Ich empfinde es auf jeden Fall als sehr problematisch, dass unsere Klassen viel zu groß sind. Mich persönlich frustriert es, dass ich viele Schüler/innen gar nicht so individuell fördern kann, wie ich gerne würde. Ich würde gerne viel mehr auf die Bedürfnisse einzelner Schüler/innen eingehen können. Und in großen Klassen ist die Lernatmosphäre sicherlich auch immer schlechter als in kleinen Klassen.

Ich denke grundsätzlich auch, dass das gesamte Bildungssystem überarbeitet werden muss. Es geht im Kern zu wenig um individuelle Förderung.

Schlussendlich kann man aber nur im Bereich der eigenen Handlungsmöglichkeiten agieren. Mir ist schon klar, dass viele notwendige Veränderungen in der Realität schwer umsetzbar sind. Daher sollte jeder das Beste aus der Situation machen.

Wie helfen Ihre Erfahrungen als Tutor im Amt des Vertrauenslehrers?

In meiner Tätigkeit als Tutor/Klassenlehrer arbeite ich selbstverständlich auch vertrauensvoll mit Schüler/innen zusammen und war dadurch auch schon mit einigen Problemsituationen konfrontiert. Die dabei gesammelten Erfahrungen kann ich sicherlich mit in das Amt des Vertrauenslehrers einbringen.

Wie haben Sie sich auf das Amt vorbereitet?

Ich denke, dass ich für viele Problemsituationen bereits Lösungsstrategien kenne und Schüler/innen gut helfen kann. Dennoch gibt es natürlich Situationen, mit denen ich bisher selbst wenig Berührungspunkte hatte und mich über bewährte Lösungswege informieren muss. Zu diesem Anlass bilde ich mich entsprechend fort.

Mit welchen Problemen wendet man sich aus Ihrer Sicht an Vertrauenslehrer?

Mit sämtlichen Problemen, über die man sprechen möchte und ggf. selbst keine Lösung findet. Ein paar Beispiele:

  • Man hat ein privates Problem im familiären Bereich.
  • Man hat ein Problem mit Mitschüler/innen.
  • Man erkennt bei Mitschüler/innen eine problematische Situation und weiß nicht, wie man helfen kann.
  • Man hat ein Problem mit Lehrkräften.

In all diesen Situationen kann man das Gespräch mit uns Vertrauenslehrkräften suchen. Wir bieten, wie bereits erwähnt, für jede Art von Problem einen geschützten, vertrauensvollen Raum an, wo alle Schüler/innen frei reden und ihre Sorgen loswerden können.

Wo findet man Sie und wie kann man Sie erreichen?

Am besten kontaktiert man mich auf itslearning. Ich antworte in der Regel immer sehr schnell. Ansonsten bin ich in Freistunden häufig in der Physiksammlung – also dort, wo auch meine iPad-Sprechstunde stattfindet.

Vielen Dank für das Interview.

 

 

Aus der Ambulanz in die Schule: Wie Herr Jäger den Schulsanitätsdienst umstrukturierte

Das Gymnasium Horn zeichnet sich gegenüber anderen Schulen insbesondere durch seinen ausgereiften Schulsanitätsdienst aus. Zu finden in Raum 229, handelt es sich dabei um eine Zusammenarbeit zwischen Schülern der oberen Jahrgänge und der Lehrerschaft, geleitet von Herrn Jäger. Spätestens über diverse Lautsprecherdurchsagen sollte dem ein oder anderen das Vorhandensein des Schulsanitätsdienstes aufgefallen sein. Denn immer, wenn ein Mitglied der Schulgemeinschaft gesundheitliche Beschwerden, seien es Verletzungen oder Schmerzen sonstiger Art, zu beklagen hat, steht er zur Verfügung und liefert kompetente Unterstützung. Dabei bilden die Grundlagen eine einwöchige Ausbildung, die diverse Maßnahmen der Ersten Hilfe schult, sowie eine jährliche Auffrischung, an denen jeder Schulsanitäter teilnehmen muss, um bestmöglich Hilfe leisten zu können. Über die Lautsprecher oder im Idealfall im Stillen über ein Smartphone werden die Schulsanitäter informiert, wo Hilfe benötigt wird und verlassen, sofern nicht anders möglich, sogar den Unterricht, um zur Verfügung zu stehen. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass der gesamte Dienst auf Freiwilligkeit basiert und sämtliche verpassten Inhalte von den Mitgliedern im Zweifelsfall selbständig nachgearbeitet werden müssen. Das Fazit ist dennoch klar. Es ist erwünscht, sich mit Problemen an den Schulsanitätsdienst zu wenden. „Wir stehen gerne zur Verfügung, um bei medizinischen Problemen Erste Hilfe zu leisten“, sagt Jesper Nagel, Mitglied des Schulsanitätsdienstes, dafür ist er schließlich eingerichtet worden.

Die Struktur der Dienste ist denkbar einfach. Jeder Schulsanitäter ist für einen Wochentag zuständig. Wird an diesem Tag ein Sanitäter ausgerufen, ist klar geregelt, wer den jeweiligen Fall übernimmt. Doch nicht immer geht das Konzept auf. Durchaus treten auch Fälle auf, in denen ein längerer Aufenthalt der Patienten im Sanitätsraum notwendig ist. In diesem Fall ist die Gemeinschaft des Sanitätsdienstes von großem Vorteil, ermöglicht sie doch, dass auch außerhalb des eigentlichen Dienstes ein Abwechseln möglich ist.

Innerhalb der Mitglieder werden nichtsdestotrotz auch Problemstellungen gesehen, die es anzugehen gilt. „Manche Lehrer habe keine Ahnung, wie der Tätigkeitsbereich der Schulsanitäter definiert ist. Es ist nicht zwingend notwendig, dass Schulsanitäter den Unterricht verlassen, um Erbrochenes aufzuwischen“ (Jesper Nagel, Schulsanitäter). Darüber hinaus stellt eine andauernde Debatte die Frage der Kühlpack-Ausgabe dar. Natürlich ist es sinnvoll, die Kühlpacks im Sanitätsraum aufzubewahren, da sie in vielen Fällen dort benötigt werden. Jedoch führen Häufungen von Forderungen zum Teil dazu, dass Schulsanitäter für Banalitäten aus dem Unterricht geholt werden. Eine nicht einfache Thematik, steht auf der anderen Seite doch der dringende Aufruf, sich bei Beschwerden an das Sanitätsteam zu wenden. Ein Lösungsansatz – sofern die Lage deutlich erscheint, kann auch der jeweilige Lehrer das Holen eines Kühlpacks übernehmen.

Grundsätzlich bittet der Schulsanitätsdienst darüber hinaus darum, verwendete Kühlpacks wieder in den Briefkasten vor dem Sanitätsraum zu werfen.

Doch wie sah es an unserer Schule aus, bevor die Leitung von Herrn Jäger übernommen wurde? Tatsächlich besteht der Schulsanitätsdienst schon seit zahlreichen Jahren. Doch bis 2011 verfügte er jahrelang nur über einen einzigen Sanitäter. Eine nicht zu bewältigende Aufgabe, wie sich nicht zuletzt dadurch auszeichnete, dass der Schulsanitätsdienst geradezu unbekannt war.

Mittlerweile fasst der Schulsanitätsdienst ganze 36 Sanitäter, von denen sich zwei zurzeit im Ausland befinden. Pro Ausbildung, die einmal jährlich stattfindet, gehen in der Regel effektiv 12 bis 14 neue Schulsanitäter hervor, sodass sich in Zukunft nahezu die Frage stelle, ob nicht die Q2 grundsätzlich aus dem Dienstplan befreit werden könne, so Herr Jäger. Auch lasse sich sagen, dass jeweils circa zwei Sanitäter je Klasse im achten Jahrgang ausgewählt werden. Für alle, die Interesse haben, sei die erste Februarwoche vorzumerken. Wichtig ist dabei allerdings: Auch die Ausbildung beruht auf Freiwilligkeit. Das heißt, der verpasste Schulstoff muss auch hier in den meisten Fällen nachgearbeitet werden. Doch der Dienst bringt auch persönliche Vorteile mit sich. Dazu zählt eine Bescheinigung des Erste-Hilfe-Kurses sowie bei besonderem Engagement ein Eintrag in sämtliche Zeugnisse.

Um eine genauere Einsicht hinter die Kulissen des Schulsanitätsdienstes zu gewähren, hat sich Herr Jäger freundlicherweise zu einem Interview gegenüber der Schülerzeitung bereiterklärt.

 

Herr Jäger, wie sind sie dazu gekommen den Schulsanitätsdienst zu übernehmen?

Also, ich bin 1994 in den Zivildienst gegangen, den gab es ja damals noch und dadurch bin ich ins Rote Kreuz Krankenhaus gegangen, erstmal zur Rheumachirurgie. Dann habe ich mein Studium angefangen, im Oktober 1995, und musste nebenher Geld verdienen. Dann bin ich eben im Krankenhaus geblieben, als studentische Aushilfe. Dort bin ich erst drei, vier Jahre mehr oder weniger als Aushilfe über alle Stationen hinweggegangen und ab 1998 habe ich 10 Jahre Zentralambulanz gemacht. Die haben mich dann genommen und gemeint: „Mensch, der passt hier her“. Von daher ist witzig, dass ich offiziell noch nicht einmal einen Erste-Hilfe-Kurs hatte, damals, aber du sammelst natürlich irgendwann so viele Erfahrungen, dass ich viel mitnehmen konnte. Und von daher hat passenderweise Herr Riggers gesagt: „Dann werden sie Schulsanitätsdienstleiter“, was nochmal ein Punkt obendrauf war, dafür, dass ich die Stelle an dieser Schule bekommen habe.

Wie haben Sie dann begonnen, den Schulsanitätsdienst neu aufzubauen?

Ich glaube, Ende 2011 hatte ich schon die erste Ausbildung hier über den ASB organisiert. Das war schon immer der ASB, der die durchgeführt hat. Ich glaube, wir haben das dann erst 2013 oder 2014 richtig publik gemacht, ich habe da früher gar nicht dran gedacht, ich war ja unerfahren darin, so ein Team zu leiten. Und dann haben wir das irgendwann einfach mal kundgegeben, bei den Kollegen zum Beispiel. Es kamen natürlich auch immer öfter Durchsagen und dann ging das so richtig rund. Da war auch schon ein Jahr, in dem die Fünft- und Sechstklässler in Scharen kamen.

Wollten Sie früher schon Lehrer werden?

Also, ich war früher hoch schüchtern. Man kann sich das mittlerweile gar nicht mehr vorstellen. Wenn ich mal 30 Jahre zurückgehen würde, würde ich hier kein Lehrer sein können. Dann würde ich nur mit rotem Kopf durch die Gegend gehen und keinen ansprechen. Und einer der großen, wichtigen Punkte meines Lebens war diese Ambulanz. In der Ambulanz muss man aus sich heraus kommen, und das hat mir wirklich meine Schüchternheit ausgetrieben, was wieder für den Lehrerberuf wichtig war. Die leitende Schwester dort in der Ambulanz hat ja auch gewusst, dass ich Lehrer werden möchte und hat auch gemerkt, dass mir das total Spaß macht, andere wieder anzulernen, also anzuweisen. Und dann war es zum Beispiel nach ein paar Jahren meine Aufgabe, immer die ganzen Zivildienstleistenden an- und Praktikanten, die also irgendwie so auf meinem Level waren, einzuweisen. Also war ich wie ein Lehrer oder Ausbilder und habe die dann in die Ambulanz eingewiesen. Und dann legt man die Schüchternheit ab. Oder dann, wenn man mit Personen, die betrunken gestürzt sind, kommuniziert. Damit kann man nur umgehen, wenn man sich irgendwann traut, die anzusprechen.

Wie läuft das Bewerbungsverfahren für den Schulsanitätsdienst ab?

Zunächst habe ich einfach die Personen sich so bewerben lassen, die haben einfach auf einen Zettel geschrieben: „Ich bin der und derjenige und ich möchte gerne mitmachen“. Und das war natürlich dann super schwierig damals, auszuwählen. Und es ist aber tatsächlich so, man muss die Klassenlehrer-Teams einbinden, weil alle, die ich nicht kenne, wie soll ich die auswählen, nur anhand dieses Zettels, den ich als Bewerbungsblatt herausgebe, wie soll ich die da beurteilen? Das ist so ein bisschen unfair, weil da ja tatsächlich auch jeder draufschreiben kann, was er will. Und deswegen ist es immer gut, wenn man mehrere Personen hat, die da ihre Meinung zu abgeben können. Deswegen ist das Klassenlehrer-Team wichtig. Die kennen meistens die Schülerinnen und Schüler in der achten Klasse und die sagen dann: „So, hier, der eignet sich gut, weil er total sozial engagiert ist“, und dann kommen meistens die zwei Seiten zusammen. Also meine Seite mit den Bewerbungsbögen oder vielleicht habe ich ja manchmal auch so einen Eindruck, oder ich kenne die Schülerin und Schüler, und dann eben das Klassenlehrer-Team. Und das hat sich bisher eigentlich ganz gut bewährt, muss man sagen.

Was sind die Voraussetzungen für den Schulsanitätsdienst?

Achte Klasse, man darf keine schlechten Noten haben, man sollte sich am besten engagieren wollen in dem Bereich.

Existieren auch außerschulische Kriterien?

Unsere Arbeitswelt hat sich ja auch ein bisschen verändert. Wer zum Beispiel jetzt Medizin studieren möchte, der muss ja immer mehr vorzeigen können, dass man am besten schon irgendetwas gemacht hat. Und deshalb sind alle Schülerinnen und Schüler, die irgendwie in so eine Richtung wie Medizin oder Rettungsdienst gehen wollen, total hinterher, hinter dieser Ausbildung hier bei uns als Schulsanitäter. Und das merkt man seit zwei oder drei Generationen im Schulsanitätsdienst. Wir hatten ja auch diesen Durchgang, bei dem alle Ärzte werden wollten, das war Wahnsinn. Was ich damit sagen möchte, ist, dass das ganze Auswahlverfahren mittlerweile vereinfacht ist, weil ich jetzt klare Rahmen habe.

Das heißt, grundsätzlich empfehlen Sie die Teilnahme jedem, der sich selbst eventuell in Richtung eines medizinischen Berufes orientieren möchte und darüber hinaus in der Schule so zuwege ist, dass er Zeit für den Sanitätsdienst investieren kann?

Ja, richtig. Aber es muss ja gar nicht immer so sein, dass man unbedingt Arzt oder Sanitäter werden will, sondern es gibt ja auch einfach Menschen, die generell sagen: „Ich helfe gerne anderen Menschen“, oder ich möchte mich einfach sozial engagieren. Und das können dann ganz, ganz tolle Sanitäterinnen und Sanitäter sein, obwohl sie gar nichts mit Medizin am Hut haben und auch gar nicht wollen. Wenn ich Schüler und Schülerinnen kenne, dann finde ich, ist die wichtigste Charaktereigenschaft für diesen „Sanitäts-Job“ Empathie, Einfühlungsvermögen. Das ist das wichtigste überhaupt. Aus den Klassen, die ich kenne, wähle ich immer die Personen aus, bei denen ich sage: „Da ist ganz viel Empathie“, denn die können sich dann wirklich hineinversetzen in die Personen, gerade wenn es hier um die jüngeren Schülerinnen und Schüler geht. Dann merken die: „Oh, der hat Schmerzen“, und sind meistens ganz toll im Umgang mit denen.

Gibt es auch andere Gründe, warum sie Personen ins Team aufnehmen?

Ich habe das auch schon erlebt, dass ich dann auch Schülerinnen und Schüler aufgenommen habe, die, ich sage mal, sehr still sind im Unterricht und sich kaum beteiligen, aber bei denen man dann feststellt, die haben ganz viel Empathie, also auch ganz viele soziale Kompetenzen im Umgang mit anderen Menschen, obwohl sie vielleicht ausgesprochen zurückhaltend sind. Die habe ich dann ins Sani-Team aufgenommen und die sind dann auch so ein bisschen aus sich herausgekommen. Und dann merkt man eben, eigentlich können die das richtig gut machen, die trauen sich nur nicht so ganz. Dann gehe ich auch aktiv auf die zu und sage: „So, willst du nicht Schulsanitäterin beziehungsweise Schulsanitäter werden?“.

Wie ist die Resonanz bezüglich des Schulsanitätsdienstes an unserer Schule?

Sehr gut. Ich nehme das Lob auch immer gar nicht auf mich, sondern ich sage immer gleich: „Das Team, das Team, das Team. Also die Schüler sind so toll, die machen das ja freiwillig“, muss ich auch manchmal betonen. Und eigentlich höre ich fast immer Positives. Das einzige, wo man auch manchmal was Negatives hört, ist: „Wie viele Leute sind eigentlich im Sani-Raum?“. Aber ansonsten hört man eigentlich nur Positives. Es gibt so großes, riesengroßes, tolles Lob, wie toll das gemacht wird und auch vom Rettungssanitätsdienst höre ich das manchmal. Also auch über die Lehrkräfte hinweg, wird wieder gelobt, wie toll das hier gemacht wird. Man merkt das auch wirklich daran, wer sich indessen hier bewirbt. Ich habe in den ersten Jahren, in denen ich hier die Ausbildung hatte, noch nicht wirklich gewusst: „Wie wähle ich überhaupt Schüler und Schülerinnen aus?“, „Wie mache ich das Bewerbungsverfahren?“, das war ja alles noch ganz neu für mich. Da hatte ich auch teilweise unzählige Bewerbungen und irgendwann kristallisieren sich dann ja so Punkte heraus, wie, man sollte vielleicht keine Schüler nehmen, die irgendwelche Problemfächer haben, also schlechte Noten vielleicht, weil sie sich erst mal auf die Schule konzentrieren sollten. Ich habe in der ersten Ausbildung dann so ein, zwei Kandidaten gehabt, die wirklich viel Quatsch gemacht haben, und da hat man dann schnell draus gelernt.

Welches Budget steht eigentlich dem Schulsanitätsdienst zur Verfügung?

Das ist natürlich indessen ordentlich gewachsen. Also damals war es so, da hatten wir ganz am Anfang 15 Personen, die immer direkt von der Berufsgenossenschaft Bremen finanziert wurden.

Aber über die Jahre wurde das Budget leider immer weiter gekürzt. Eigentlich zahlen die jetzt immer nur noch zehn Personen seit zwei Jahren. Man kann aber trotzdem für die Ausbildung bis zu 15 Personen nehmen. Dann müssen die Überzähligen von der Schule bezahlt werden. Dafür gibt es hier in der Schule ein Budget. Das sind zwei verschiedene Töpfe, die wir hier ansprechen. Einmal der Fortbildungstopf, das würde eben diese Fortbildungen betreffen, dass wir sagen, wir nehmen mehr Schüler, obwohl wir schon über zehn Stück hinweg sind, und dann ist das andere das ganze Material, dass wir im Sani-Raum haben. Der Topf unserer Schule selbst ist dabei ordentlich gewachsen.

 

Muss man den Sanitätsdienst denn so ausstatten?

Man muss den Dienst nicht so ausstatten. Ich habe tatsächlich mal von Herrn Dr. Leupold, der ist ja unser Sicherheitsbeauftragter und ich und der Schulsanitätsdienst sind sozusagen Unterglieder bei ihm, ein paar Sachen zugeschickt bekommen, in denen drin steht, was man eigentlich in einer Schule für einen Schulsanitätsdienst machen muss, was vorhanden sein muss. Eine Liege, eine Trage, ein Sanitätsraum, ein bisschen Verbandsmaterial. Da stehen ganz grobe Rahmenbedingungen drinnen, aber wir gehen da teilweise wirklich drüber hinaus. Ich habe ja früher auch mal sehr viel Lob bekommen von den ASB-Ausbildern, weil ich das wahrscheinlich aus meiner Ambulanz-Zeit noch so kenne. Ich habe da volle Schränke gehabt, das war ja teilweise mein Job, die auch wieder aufzufüllen, nur war da der Nachschub natürlich unendlich. Man hat ein Zentrallager im Krankenhaus gehabt, da hat man die Wagen einfach hochgefahren. So einen ganzen Schrank voller Rollen zum Festkleben hatte man da einfach, obwohl die total teuer sind und hier entgegen ist das eine andere Sache gewesen. Ich habe aber zeitweise sehr viel gekauft gehabt, jetzt bin ich durchaus zurückhaltender geworden, weil das auch unglaublich teuer war. Ich weiß, so glaube ich, 2015, da habe ich mal so wirklich in die Vollen gehauen und habe da wirklich alles Mögliche an Materialien gekauft. Da war das komplett ausgestattet im Sani-Raum. Nur das ist einfach zu teuer gewesen, denn irgendwann verfallen die Sachen dann. Wir haben auch gemerkt, dass man zum Beispiel so riesige Saugkompressen gar nicht wirklich braucht. Und dann hat sich irgendwann so grob herauskristallisiert: „Was muss ich denn so ungefähr bestellen, was nicht?“. Ich höre ja immer von den Sanitätern zwischendurch, was so anliegt.

Normalerweise wird der Sanitätsdienst über das Sani-Handy angerufen, manchmal wird jedoch auch kritisiert, dass dennoch zu viele Durchsagen erfolgen. Wie stehen sie dazu?

Ich würde sagen, das ist so, nebst der Tatsache, dass der Raum manchmal ein bisschen voll ist, der andere negative Punkt, den es wirklich gibt. Ich bin ja der Meinung, und ich glaube, unser Team ist auch größtenteils der Meinung, dass die Durchsagen eigentlich immer noch am besten und einfachsten sind. Also wir würden es am liebsten einfach nur so machen, aber das stört tatsächlich den Unterricht immer mal wieder. Deswegen haben wir schon so viele Modelle durchdacht, was man machen könnte, bis wir dann dieses Sani-Handy erstmal als einfachste Lösung genommen haben. Es gab hier schon Vorschläge in Richtung Walkie-Talkies oder ein Pieper-System einzuführen. Das ist alles nur zu aufwändig. Ich kenne das ja aus der Ambulanz, da hatten wir so ein Pieper-System. Das funktioniert aber dort so, dass auf dem Pieper die Telefonnummer von dem Ort, von dem aus man anruft, erscheint und mein Job war ja eben immer, durch alle möglichen Räume durchzugehen. Ich wusste also alle möglichen Telefonnummern und das kann man hier ja nicht machen. Dann müsste ja in jedem Raum ein Telefon stehen, von dem aus man anrufen kann. Nur dann würde das Sinn machen. Und das ist sehr teuer. Und dann hat man genau das gleiche Problem wie beim Handy. Denn man muss den Pieper holen, der muss aufgeladen sein, der muss benutzt werden, man muss die Nummern kennen. Da ist ein Handy ja wirklich einfacher.

Wie stehen Sie denn grundsätzlich zu der Nutzung von Handys für Sani-Zwecke?

Ich bin der Meinung, wir müssen uns doch gegenseitig sofort anfordern können. Wenn zum Beispiel jemand dort ist, nehmen wir mal jemanden von den ganz neu Ausgebildeten, und man ist sich noch ganz unsicher und steht ganz alleine da, dann muss man doch irgendwie die Möglichkeit haben, jemanden anzufordern, ohne, dass man immer gleich eine Durchsage machen muss. Das wird ja auch manchmal tatsächlich benutzt, dass dann jemand schreibt: „Hier, kann mich jemand ablösen?“. Und das geht einfach nicht anders. Deswegen auch der WhatsApp-Chat. WhatsApp ist ja eigentlich tabu, aber das ist zurzeit das schnellste Medium, finde ich, womit man einfach sofort alle erreicht. Man könnte WhatsApp natürlich, theoretisch gesehen, mal austauschen, gegen einen anderen Messenger oder ein anderes System, das auch relativ schnell funktioniert. Aber itslearning zum Beispiel ist nicht schnell genug. Da bekommt man ja teilweise erst nach einer Stunde die Nachricht und das funktioniert nicht. Man muss eine ganz schnelle Ebene haben und das geht nicht anders. Die Sanitäter müssen sich gegenseitig informieren können. Und das ist auch Konsens indessen. Und deswegen steht in der Schulordnung extra der Passus, dass Schulsanitäter im Dienst ihr Handy für den Sani-Chat benutzen dürfen.

 

Die Schülerzeitung bedankt sich für das Interview, welches am 24. Mai geführt wurde.

 

Anmerkung der Chefredaktion: Durch einige Probleme mit der Website konnte dieser Artikel online erst später erscheinen als geplant.

MicroCon 2023

Ein Treffen von Mikronationalisten und Mikronationen, welches alle zwei Jahre abgehalten wird, fand dieses Jahr in Ypern und Chicago statt. Dieses Jahr war das erste, in dem eine MicroCon in den USA und Europa abgehalten wurde, die Organisatoren waren Ladonia und Flandrensis.

Zum Anfang muss man verstehen, was eine Mikronation ist. MicroWiki, die größte Enzyklopädie über Mikronationen, beschreibt diese wie folgt:

„Eine Mikronation ist, grob gesagt, ein selbsternannter souveräner Staat ohne internationale Anerkennung, der anders behandelt wird als ein Staat mit begrenzter Anerkennung.“


(Frei Übersetzt nach: https://micronations.wiki/wiki/Micronation)

Im Folgenden ein Interview mit Niels Vermeersch, Großherzog von Flandrensis, Co-Host der MicroCon Europa in Ypern über die MicroCon in Ypern 2023

 

Warum ist Ihnen MicroCon so wichtig?

Eigentlich war dies meine erste MicroCon, bei den vorherigen Ausgaben in den USA hatte ich einen Vertreter. Aber ich hatte vorher schon viele europäische Konferenzen (Polination und LaMicroFrancophony). Sie alle haben die gleiche Bedeutung: sich im wirklichen Leben zu treffen und Erfahrungen miteinander zu teilen. Das Internet ist ein wichtiges Instrument für Mikronationalisten, aber Veranstaltungen wie die MicroCon schaffen stärkere Beziehungen zwischen Mikronationalisten als die Nutzung sozialer Medien. Wenn wir in den Urlaub fahren, versuchen wir immer, einen Zwischenstopp einzulegen, um uns mit Freunden zu treffen. Einige von ihnen kenne ich schon seit 10 Jahren.

 

Wie unterscheiden sich die Schwerpunkte oder Programme der MicroCon in Ypern und Chicago von anderen mikronationalen Veranstaltungen?

Der Unterschied zu anderen mikronationalen Konferenzen ist, dass wir die Themen und Redner selbst ausgewählt haben. Traditionell gibt es immer einige Mikronationalisten, die einen Vortrag über ihre Mikronation oder ein bestimmtes Thema halten wollen.

Yvan und ich haben unsere eigene Liste möglicher Themen erstellt und wir haben eine Umfrage in der Facebook-Gruppe gemacht und die Teilnehmer gefragt, an welchem Thema sie am meisten Interesse haben. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse habe ich mein Netzwerk genutzt und wir haben Mikronationalisten kontaktiert, die unserer Meinung nach die meiste Erfahrung hatten, und sie gebeten, einen Vortrag zu halten. Das gab uns die Garantie für eine qualitative Präsentation.

 

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Mikronationen in der globalen politischen und sozialen Landschaft?

Mikronationalismus ist heute ein sehr nützliches Instrument, um auf ein politisches, ökologisches oder soziales Problem hinzuweisen. Einer der Redner beschrieb ökologische Mikronationen als „Schaffung eines Landes zur Rettung des Planeten“. Wenn man eine Idee hat und seine Botschaft verbreiten will, kann man zum Beispiel eine Organisation oder eine politische Partei gründen. Aber wirklich kreative Menschen denken über den Tellerrand hinaus, und mit einer Mikronation – zusammen mit einem starken Konzept – kann man ein großes Publikum erreichen, um seine Mission zu verbreiten.

 

Was war Ihr persönliches Highlight?

Ich würde sagen, die gesamte Veranstaltung, denn wir haben viele positive Reaktionen erhalten. Aber wenn ich mich entscheiden müsste: die mikronationale Kinderjury. Ich hoffe, dass dies eine neue Tradition für zukünftige MicroCon’s wird, denn die Teilnehmer waren sehr überrascht. Und es ist die perfekte Gelegenheit für unsere Kinder, mit dem Mikronationalismus in Berührung zu kommen, hoffentlich ein Hobby, das ich mit meinen Jungs weiterführen kann.

Und ich war auch überrascht von den vielen unterstützenden Eltern, die ihre Teenager zu dieser Veranstaltung in Belgien begleitet haben! Nach der MicroCon haben viele von ihnen eine ganz andere Vorstellung von dem mikronationalen Abenteuer ihres Kindes.

Wie war die Organisation?

Sehr stressig, denn Yvan und ich wollten eine qualitativ hochwertige Veranstaltung organisieren: Vom Veranstaltungsort über die Präsentationen bis hin zu den Getränken und dem Essen … Wenn Leute die Mühe auf sich nehmen, aus Kanada oder den Philippinen anzureisen, wollen wir, dass sie mit einem positiven Gefühl zurückblicken. Wir haben vor einem Jahr mit den Vorbereitungen begonnen (Ort, Finanzen, Fahrplan, usw.), aber seit Januar hatten Yvan und ich täglichen Kontakt und fast alle zwei Wochen einen langen Abend auf Zoom. Aber ich bin sehr froh, dass Ladonia Flandrensis als Co-Moderator gefragt hat. Da ich Yvan schon von früheren Treffen her kannte, wurde unsere Zusammenarbeit dadurch viel einfacher. Und wir sind beide überrascht, dass wir nie eine einzige Meinungsverschiedenheit oder Frustration miteinander hatten, wie wir in Belgien sagen: gute Vereinbarungen machen gute Freunde.

Ich wünschte nur, ich hätte während der Veranstaltung mehr Zeit gehabt, um mit allen zu sprechen, aber als Co-Gastgeber war ich so beschäftigt: Interviews, Auf- und Abbau, ein Taxi für meinen britischen Botschafter finden, einen Schlafplatz für einen der Teilnehmer finden, … Aber nach allem habe ich ein sehr positives Gefühl über unsere Leistung und wir freuen uns darauf, die zukünftigen Organisatoren mit unseren Ratschlägen und Tipps zu unterstützen.

Weitere Informationen:

https://micronations.wiki

https://flandrensis.com/

Französischer Austausch: Entdeckung von Kultur, Sprache und unvergesslichen Erlebnissen

Wir sprechen heute mit Sophia Beer, die an einem faszinierenden Schüleraustausch in Frankreich teilnahm. In drei aufregenden Monaten in Paris entdeckte sie eine neue Kultur, verbesserte ihre Sprachkenntnisse und sammelte unvergessliche Erfahrungen.

 

Was hat dich dazu bewegt, an diesem Austauschprogramm teilzunehmen?

Die Geschichte ist ein bisschen witzig, nämlich wollte ich ursprünglich gar nicht nach Frankreich. An sich habe ich mit dem Gedanken gespielt, einen Austausch zu machen. Eigentlich aber eher nach Kanada oder Amerika, dann hat meine Lehrerin jedoch das Programm in meiner Klasse vorgestellt und gefragt, wer es gerne machen würde. Ich meldete mich, ohne groß darüber nachzudenken. Allerdings hat meine Lehrerin sich das dann gemerkt und mich auch öfter angesprochen und irgendwann dachte ich mir: Okay, warum nicht? Es schadet ja nicht, Französisch zu lernen.

 

Was waren deine ersten Eindrücke, als du im Gastland angekommen bist?

Die Straßen waren sehr anders als in Deutschland. Es war ein bisschen chaotischer. Die Leute fahren wenig Auto. Mein erster Schock war, dass meine Gastfamilie erstmal schön saftig um 21 Uhr Hamburger gegessen hat und ich persönlich esse immer kalt zu Abend. Das Abendbrot ist in Frankreich sehr wichtig.

 

Wie hast du die Kultur und das Leben im Gastland kennengelernt und welche Unterschiede gab es im Vergleich zu Deutschland?

Das Essen. Es gab sehr große Unterschiede. Die Frühstücke waren da sehr klein und Frühstück ist für mich die größte und wichtigste Mahlzeit, um meinen Tag zu starten. Die Franzosen lieben grüne Bohnen, aber leider ist das nicht so mein Ding. Das Schulsystem ist auch sehr anders als in Deutschland. Dort hat man von 8:00 bis 18:00 Uhr Schule. Außerdem hatte ich auch am Samstag Schule.

 

Was waren deine wichtigsten Erfahrungen während des Austauschprogramms?

Eine negative Erfahrung, die mir geholfen hat, selbstbewusster zu werden. Ich wollte damals zum ersten Mal in die Cafeteria und mir ein Baguette kaufen. Der Verkäufer in der Cafeteria hatte einen schlechten Tag und ließ seine schlechte Laune an mir aus. Dabei machte er sich über meinen Akzent lustig.  Vorher hatte ich noch nie derartige Probleme gehabt. Ich war ein bisschen geschockt, weil die ganze Cafeteria mich angeguckt hat. Hinter mir hat jemand noch gesagt: “Lassen Sie sie doch, das ist eine Austauschpartnerin, sie ist noch neu hier“. Ich bin dennoch höflich geblieben. Als ich draußen war, stand ich noch unter Schock. Meine Austauschpartnerin ist richtig ausgerastet und ist mit meinen Freunden zurück zu der Cafeteria gegangen, um den Verkäufer ordentlich auszuschimpfen. Sie erkämpfte, dass er mir dann drei kostenlose Cookies schenken musste. Meine Deutschlehrerin und meine ganze Klasse haben mich unterstützt und da habe ich gemerkt, dass ich Freunde für das Leben gefunden habe. Außerdem hat mich das auch gelehrt, dass jeder Mensch Sorgen mit sich trägt. Wenn jemand diese in Form von Bosheit an einem auslässt, dann sollte man sich nicht lange damit auseinandersetzen, weil es mehr mit der Person zu tun hat als mit einem selbst.

 

Wie hast du deine Freizeit im Gastland verbracht?

Ich hatte nicht wirklich Freizeit, da ich ja bis 18:00 Uhr Schule hatte. Nach der Schule bin ich direkt nach Hause gefahren.  Es hat ungefähr eine Stunde gedauert, mit Bus und Bahn. Als ich angekommen bin, musste ich erstmal meine Hausaufgaben machen und mich auf die Klausuren vorbereiten, weil mir damals in Deutschland gesagt wurde, dass meine Noten vielleicht übernommen werden müssen, aber am Ende haben sie es doch nicht gemacht. Am Wochenende musste ich immer nachholen, was ich in Deutschland in der Schule verpasste. Generell verbrachte ich viel Zeit mit meiner Austauschpartnerin. Wir haben Spiele gespielt, geredet, waren spazieren und wir konnten uns Paris angucken. Allerdings auch Bogenschießen, denn meine Austauschpartnerin betreibt diese Disziplin als Leistungssport.

 

Welche Herausforderungen hast du während des Austauschprogramms gemeistert?

Das Unterrichtsfach Französisch war auf jeden Fall die größte Herausforderung, da ich dort große Aufsätze schreiben musste. Während meines ganzen Aufenthalts haben wir Lektüren aus der Renaissance gelesen, die dementsprechend noch auf Altfranzösisch verfasst waren. Doch nach einem Monat konnte ich mich schon am Unterricht beteiligen, da ich mir Wörter, die mir fremd waren, direkt aufschrieb und lernte.

 

Wie hast du deine Sprachkenntnisse verbessert?

Mein Französisch hat sich auf jeden Fall sehr viel verbessert. Mittlerweile kann ich alles verstehen und sogar ganze Bücher auf dieser Sprache lesen. Auch beim Sprechen muss ich nun nicht mehr stundenlang nachdenken. Jetzt geht es sehr flott und natürlich.

 

Welche Tipps würdest du anderen an die Hand geben, die an einem Austauschprogramm teilnehmen möchten?

Ich würde jedem ans Herz legen, die Schüchternheit wie auch die eigene Angst, die man in einem fremden Land verspürt, möglichst abzulegen. Damit man die Sprache wirklich lernen kann, muss man auf Klassenkameraden und generell auf die Menschen zugehen. Wer mit dem Gedanken spielt, einen Austausch zu machen, der sollte nicht zu lange darüber nachdenken und es durchziehen. Durch so einen Auslandsaufenthalt lernt man eine ganz neue Seite an sich kennen, da man sich selbst aus der eigenen Komfortzone heraus schubst. Gerade das macht es so wertvoll.

Engagement, das an Grenzen geht

Stefanie Clasen und Doro Pioner sind seit einigen Jahren Schulelternsprecherinnen am Gymnasium Horn. In diesem Interview erzählen sie uns, was ihr Beweggrund ist, diesen Job zu machen und welches Ziel sie dabei verfolgen.

Habt ihr euch schon in eurer Schulzeit engagiert?

Doro: Ich war in meiner Schulzeit mehrfach Klassensprecherin. Das habe ich relativ lange gemacht. Aber nur für meine Klasse, nicht für die ganze Schule.

Stefanie: Ich war damals nicht als Klassensprecherin tätig. Ich war total introvertiert und habe mich gar nicht getraut, vor der Klasse groß zu reden. Da kam so etwas gar nicht in Frage.

Wie ist es dazu gekommen, dass ihr Schulelternsprecherinnen geworden seid?

Doro: Als mein Kind hierher gekommen ist, war für mich sofort klar, dass ich mich als Klassenelternsprecherin engagieren möchte. Als sie in der Grundschule war, habe ich das nicht gemacht und gemerkt, dass nicht alle Informationen bei uns Eltern in der Klasse angekommen sind. Das fand ich sehr schade, denn dieser Informationsfluss und Austausch ist unglaublich wichtig. Dann habe ich hier angefangen als Klassenelternsprecherin und einfach festgestellt, dass mir gerade hier die Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft und dann irgendwann auch mit Frau Preuschoff als Schulleitung wahnsinnig viel Spaß macht und dass durch diesen engen Kontakt und Austausch ganz viel möglich ist. Da es mir unheimlich viel Spaß macht, Dinge zu organisieren und Ideen hineinzubringen, habe ich mich dazu entschieden, Schulelternsprecherin zu werden, damit es hier für alle noch schöner und besser wird.

Stefanie: Als meine Kinder hierher gekommen sind, hatte ich nicht die Idee, Schulelternsprecherin zu werden. Das ist eher aus der Not heraus entstanden. Es gab viele Krisen und Schulelternsprecher sind zurückgetreten. Am Ende stand Siegbert Meß, der zu dem Zeitpunkt schon lange Schulelternsprecher war, alleine da. Er hat mich damals angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, das zusammen mit ihm zu machen. Zuerst hatte ich dies aufgrund von Zeitmangel abgelehnt. Letzten Endes bin ich dann doch eingesprungen, um ihn nicht komplett alleine mit der ganzen Arbeit dastehen zu lassen. Es gab nämlich so viele Aufgaben, die zu erledigen waren, dass er das nicht alleine geschafft hätte.

Am Anfang hatte ich dann auch erst einmal ganz viele Fragezeichen im Kopf. Das geht, glaube ich, vielen Eltern so. Sie kommen hierher und wissen gar nicht, was überhaupt los ist. Wir haben daher vor zwei Jahren eingeführt, dass wir die neuen Elternvertreter:innen in ihre Aufgaben einführen, weil wir wissen, wie das ist, wenn man hier neu ankommt. Wie sind die Abkürzungen? Was bedeutet das alles? Was sind überhaupt die Aufgaben eines Elternsprechers/einer Elternsprecherin?

Das Wichtigste für mich ist auf jeden Fall, dass hier für die Schüler:innen ein tolles Klima herrscht und dass die Lehrer:innen auch glücklich sind. Das war zwischendurch nicht im Gleichgewicht. Und wenn die Lehrer:innen nicht glücklich sind, dann lässt auch die Qualität des Unterrichts nach, das Engagement der Lehrer:innen sinkt und es geht unseren Kindern schlechter. Mein Ziel ist es, eine Schule mitzugestalten, in der  auch ich gerne Unterricht haben würde.

Denkt ihr, dass ihr euer Ziel erreicht habt, dass die Schüler hier gerne zur Schule gehen?

Stefanie: Ich glaube schon, ja. Allerdings sind wir natürlich nur am Rande tätig, denn die Hauptaufgabe liegt bei den Lehrer:innen. Aber ich denke, dass den Schüler:innen hier sehr viel geboten wird. Wir bedanken uns dafür auch jedes Jahr bei den Lehrer:innen, um ihnen gegenüber Wertschätzung und Respekt für Ihre tolle Arbeit und ihr außergewöhnlich hohes Engagement zu zeigen.

Wie würdet ihr eure Aufgaben als Schulelternsprecherinnen zusammenfassen?

Stefanie: Also erst einmal versuchen wir für euch Schüler:innen das Beste rauszuholen. Das schaffen wir, indem wir auf alle zugehen, zuhören und dann versuchen, entsprechend zu agieren. Wir versuchen, Arbeitsgruppen ins Leben zu rufen, den Beirat anzusprechen und so weiter.

Doro: Formal ist es ja so, dass wir die Beschlüsse der Elternschaft vertreten. Einerseits gegenüber der Schulleitung, andererseits gegenüber anderen Schulgremien, dem Beirat, der Behörde. Das ist so die formale Seite. Es geht darum, dass wir alle gut miteinander kommunizieren und dass wir auch zielgerichtet und lösungsorientiert arbeiten. Häufig bringt es uns nicht weiter, wenn wir uns nur streiten. Dann kommen wir nicht zu einem Ziel. Und dieses Ziel dürfen wir eben nicht aus den Augen verlieren.

Stefanie: Was ich an unserer Arbeit auch ganz wichtig finde ist, mit den Lehrer:innen zusammenzuarbeiten. Früher war es wohl so – das hatte ich zumindest von Siegbert Meß mitbekommen -, dass hier eine Art Streitkultur herrschte. Die Lehrer:innen und die Elternschaft haben sich überhaupt nicht gut verstanden. Daraus ist auch dieses Eltern-für-Lehrer:innen-Buffet entstanden. Heute berichten viele Lehrer:innen, dass sie merken, dass die Wertschätzung ihrer Arbeit gegenüber wirklich gestiegen ist. Und das ist eben auch ganz wichtig.

Welche Kompetenz ist denn am wichtigsten für die Arbeit als Schulelternsprecher?

Stefanie: Einfühlsamkeit. Es ist super wichtig, dass man gut auf die Leute hört und ihnen sagt, dass wir sie sehen und dass sie uns wichtig sind.

Doro: Und auch, dass wir uns tatsächlich bewusst sind, dass wir, auch wenn wir selber Mütter sind, trotzdem für alle Kinder an dieser Schule da sind. Natürlich haben wir auch eine eigene Meinung zu vielen Dingen, was auch super wichtig und gut ist. Aber als Schulelternsprecherinnen vertreten wir die Meinungen der gesamten Elternschaft.

Eine sehr wichtige Kompetenz ist auch die Organisation, damit wir diese vielfältigen Aufgaben gut hinbekommen. Wir sind ja beide berufstätig und engagieren uns in ganz vielen Gremien und Sitzungen. Wir arbeiten in sehr vielen Bereichen für die Schüler:innen und für die Schule. Das alles zu organisieren, neben der eigenen Familie und den eigenen Kindern ist durchaus eine Herausforderung.

Stefanie: Da fallen natürlich auch Sachen hinten rüber. Ihr müsst euch einen Tisch vorstellen, auf den ganz viele Aufgaben gepackt werden. Irgendwann ist der Tisch so voll, dass Aufgaben an den Seiten herunterfallen. Organisationstalent gehört also schon durchaus zu den wichtigsten Kompetenzen. Was auch ganz wichtig ist, dass wir aushalten müssen, dass Menschen die Arbeit, die wir machen, nicht gut finden. Wir bekommen auch manchmal nicht so schöne E-Mails. Aber dann müssen wir uns auch klar machen, dass das eine Meinung von 2000 oder so ist.

Was muss sich aus eurer Sicht konkret an unserer Schule ändern?

Stefanie: Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden!

Doro: Ja, genau. Das fängt an bei der Ausstattung. Das sind die Beamer, iPads, Wlan.

Stefanie: Wir brauchen mehr Lehrer:innen. Die werden wir natürlich nicht bekommen, aber das ist trotzdem wichtig. Und wir brauchen mehr Stunden für die Lehrer:innen. Wir brauchen Sonderpädagogen. Wir brauchen mehr Assistenzen für W+E Kinder. Wir brauchen Politik, die nicht zwei Seiten hat. Sondern solche, die das, was sie mit europäischen Politikern vorleben, sagen und tun, auch umsetzen. Deshalb brauchen wir auch mehr Unterstützung im bilingualen Zweig.

Doro: Genau, und wenn die Lehrer so überlastet sind und so viel zu tun haben, wie viele möchten sich denn dann noch engagieren? So viele Lehrer:innen tun das, müssen das aber in ihrer Freizeit machen! Und das ist ganz toll, aber irgendwann ist auch mal die Grenze erreicht, weil sie ja auch eine eigene Familie und ein eigenes Leben haben.

Stefanie: Ganz richtig, das darf man auch auf keinen Fall vergessen. Die Lehrerschaft vom Gymnasium Horn ist super! Ich weiß, die Schüler:innen sind vielleicht manchmal genervt von einigen Lehrer:innen, aber es ist schon einzigartig, was für tolle Lehrer:innen wir hier eigentlich haben.

Doro: Das hören wir auch oft aus Gremien mit anderen Schulen.

Stefanie: Aus dem Gesamtelternbeirat der Gymnasien bekommen wir das immer mit. Dort muss jeder von seiner Schule berichten, wie die Situation gerade ist. Und da sind wir wirklich ganz vorne dabei. Die Sorgen, die wir haben, werden uns immer als Luxussorgen vorgeworfen. Wir werden da auch immer abgetan.

Für welches Projekt habt ihr euch denn besonders ins Zeug gelegt?

Doro: Naja, ich formuliere es mal so: Es gibt immer wieder Herausforderungen und Projekte, die unser besonderes Engagement fordern, was wir auch gerne geben. Wenn wir das dann gut zum Abschluss bringen, sind wir auch sehr zufrieden. Aktuell ist ein wichtiges Projekt von unserer Seite die Berufsorientierung “Find your way” für die QI. Da sind wir gerade ganz aktiv und wollen für die QI eine ganz tolle Aktion veranstalten, damit sie viel mitnehmen können.

Stefanie: Denn von unseren eigenen Kindern bekommen wir immer mit, dass viele nicht wirklich wissen, was sie nach der Schule machen wollen. Und um ihnen zu helfen, veranstalten wir dieses Event “Find your way”. Da haben wir 19 Vortragende gefunden. Aus diesen Angeboten kann sich jeder vier aussuchen und schauen, ob einem das gefällt oder nicht.

Außerdem engagieren wir uns für die Liberalisierung der Handynutzung. Und für den Color Run, der möglichst bald wieder stattfinden soll. Dazu wünsche ich mir dieses Mal allerdings mehr Unterstützung von den Eltern und Schüler:innen. Die Lehrerschaft war das letzte Mal schon sehr aktiv. Insbesondere die Sportfachschaft war sehr engagiert, worüber ich sehr dankbar war. Die Unterstützung brauchen wir natürlich wieder, denn ohne die sind wir aufgeschmissen.

Wir wollen uns auf jeden Fall dazu am 10.05., um 17 Uhr hybrid treffen , wo wir das dann alles gemeinsam anstoßen und planen können. Wir wollen, so wie beim letzten Mal, wieder tolle Sachen für euch Schüler:innen besorgen. Letztes Mal gab es  ein Klavier, es gab Sitzgelegenheiten, und, und, und.

Neben dem Color Run haben wir uns auch noch bei dem neuen Anbau engagiert. Das ist auch ein riesiges Thema.

Wo wir auch viel unterstützen, ist der W+E Bereich. Wir wollen sicherstellen, dass die drei Schüler:innen, die nächstes Jahr an diese Schule kommen, einen Sonderpädagogen bekommen. Wir brauchen insgesamt noch zwei Sonderpädagogen. Uns verlassen jetzt nämlich zwei Halbtagskräfte und wir brauchen noch einen für diese neue Klasse. Wir machen wirklich  viel, wenn man sich das mal so überlegt …

Was macht euch denn besonders viel Spaß an eurer Arbeit als Schulelternsprecher?

Doro: Wenn wir feststellen, dass unsere Arbeit funktioniert. Heißt, dass wir Ziele erreichen und alle glücklich sind. Wenn wir feststellen, dass unsere Arbeit erfolgreich ist und die unterschiedlichen Menschen wirklich zufrieden und gerne hier an der Schule sind!

Stefanie: Ich freue mich, wenn die Kinder hier gerne zur Schule gehen, denn ich finde, es ist hier alles so schön geworden. Ich engagiere mich ja auch im Schulverein. Da kümmern wir uns auch um die Mensa. Es freut mich, wenn vom Essen her alles stimmt. Es ist toll, dass wir hier so einen hohen Bio-Anteil und eine so schöne und gute Cafeteria haben. Es gibt eigentlich nichts, wo man sich hier nicht wohlfühlen könnte, habe ich oft das Gefühl. Guckt euch an, wie sauber es hier ist! Die tollen Bilder, die hier an den Wänden hängen. Die Vitrinen. Der tolle ShopHorn!

Ich habe drei Kinder und dadurch natürlich ganz viele von deren Freund:innen bei uns zuhause. Dann frage ich oft, ob sie gerne zur Schule gehen. Wenn ich dann höre, dass sie grundsätzlich gerne in der Schule sind, auch wenn es die Pausen sind, die ihnen besonders gut gefallen, dann freue ich mich, weil das heißt, dass sie hier gerne hinkommen und sich hier wohlfühlen, was überaus wichtig ist, da sie in der Schule einen großen Teil ihres Tages verbringen.

Wie viel Zeit investiert ihr in den Job als Schulelternsprecher? 

Stefanie: Ganz ehrlich? Darüber will ich gar nicht nachdenken.

Doro: Es ist wirklich aufwändig und es ist sehr viel Zeit. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist manchmal  wirklich anstrengend.

Stefanie: Die ganze Freizeit, die wir haben, könnten wir in diesen Job investieren, wenn wir wollten. Ich habe manchmal auch das Gefühl, dass meine eigenen Kinder dadurch zu kurz kommen. Die haben sich zum Glück noch nicht beschwert, aber…

Doro: Es ist tatsächlich häufig ein Spagat. Denn diese Arbeit endet nicht am Wochenende, wir wollen auch nicht, dass unsere Familie zu kurz kommt. Auch wir können ja nicht “48 Stunden” am Tag arbeiten.

Stefanie: Aber so viel bräuchten wir eigentlich, denn es gibt wirklich immer viel zu tun. Und wenn dann solche  E-Mails kommen, in denen gefragt wird, warum wir das Protokoll erst so spät verschicken, dann denke ich mir nur, dass der Tag lediglich 24 Stunden hat. Anders schaffe ich das einfach nicht. Was sollen wir machen? Wir können uns nicht dreiteilen.

Eigentlich kann man diese Aufgabe nur übernehmen, wenn man altruistisch veranlagt ist und  einem das alles wichtig ist. Wenn dir wichtig ist, dass alle Kinder zufrieden und glücklich sind und nicht nur deine eigenen, sondern eben alle Kinder.

Unter dieser Prämisse ist dann natürlich der uns gemachte Vorwurf, all das nur deshalb zu tun, weil wir schnell an Informationen kommen möchten und nur etwas für das eigene Kind bewegen wollen, ein wahrer Hohn. Wir machen so viel für andere Kinder, dass unsere eigenen Kinder eigentlich erst zuletzt drankommen. Die laufen so nebenbei mit. Glücklicherweise funktioniert das, aber in so vielen Familien eben nicht und da helfen wir auch immer gerne.

Doro: Ohne die Leidenschaft, die wir mitbringen, könnten wir das nicht schaffen. Natürlich profitieren auch unsere eigenen Kinder davon, wenn es euch allen gut geht. Aber wir machen das bestimmt nicht, damit es nur unseren Kindern gut geht.

Stefanie: Wir machen das Ganze ja auch für die Zukunft. Den Neubau zum Beispiel, den werden unsere eigenen Kinder nicht mehr erleben. Die haben gar nichts mehr davon.

Gab es ein Projekt, das so richtig nach hinten losgegangen ist?

Stefanie: Wir haben ganz viele Nackenschläge ertragen müssen. Aber wir sind immer wieder aufgestanden und haben weitergekämpft. Wir haben so viel Mist erleben müssen. Aber wir haben uns immer wieder aufgerappelt. Kurzzeitig haben wir uns angeguckt und darüber nachgedacht, ob das jetzt wirklich wahr sein kann. Alle meinten, wir würden scheitern, aber das sind wir nicht.

Doro: Dass wir uns selber motivieren weiterzumachen und eben nicht aufzugeben, hat uns schon oft gezeigt, dass sich das wirklich auszahlt.

Stefanie: Man darf die Dinge nicht einfach hinnehmen. Auf keinen Fall! Wenn etwas scheitert, sucht man sich eben einen anderen Weg. Es gibt immer einen. Daher niemals die Hoffnung aufgeben, denn wenn man die Hoffnung aufgibt, hat man schon verloren.

Stefanie, Doro, vielen Dank für das Interview!     

Frau Preuschoff, bereuen Sie es, Schulleiterin geworden zu sein?

Seit November 2022 ist Tatjana Preuschoff Schulleiterin vom Gymnasium Horn. Sie vertritt die Schule nach außen hin und ist für alles verantwortlich, was an der Schule passiert. Sie setzt sich dafür ein, dass jeder Schüler und jede Schülerin am Schulalltag Spaß hat. Wie sie zu diesem Beruf gekommen ist, erzählt sie uns in diesem Interview.

 

Wie würden Sie sich vorstellen?

Hallo, ich bin Frau Preuschoff, die Schulleiterin vom Gymnasium Horn.

Was wollten Sie nach dem Abitur mit Ihrem Leben machen?

Ich wollte gerne etwas machen, wo ich Spaß dran habe. Und in der Schule hat sich herauskristallisiert, dass ich viel Spaß an Chemie und Biologie habe und ich auch gerne künstlerisch gezeichnet habe. Dazwischen bin ich hin und her geschwankt. Ich habe mich dann pragmatisch entschieden. Kunst ist ein schönes Hobby, aber als Beruf für mich tatsächlich eher ungeeignet. Und bei meinen Fächern Biologie und Chemie ist die Chemie ein großer Bestandteil der Biologie. Also habe ich mich entschieden Biologie zu studieren. Während meines Studiums habe ich tatsächlich, weil ich so begeistert war von alledem, was da so angeboten wurde, so viele Kurse belegt, dass ich am Ende in jedem Fachbereich der Biologie und einigen Fachbereichen der Chemie, die die Universität Bremen anbietet, meine Diplomarbeit hätte schreiben können. Zusätzlich habe ich an Projekten im Doktorandenstudium zur Ökotoxikologie teilgenommen und dort auch an einer Veröffentlichung mitgearbeitet. Letzten Endes habe ich 14 Semester lang studiert. Zunächst hatte ich vor, eine akademische Laufbahn einzuschlagen und eine Doktorarbeit zu schreiben. Aus persönlichen Gründen habe ich mich dann aber dagegen entschieden. Nicht zuletzt, weil die Möglichkeiten und Jobangebote als Fachwissenschaftlerin nur sehr begrenzt waren. Ich habe mich auch immer für den Job als Lehrerin interessiert. Zum Zeitpunkt meines Fachstudiums gab es einen Einstellungsstopp für Lehrkräfte, so dass ein Lehramtsstudium beruflich keinen Sinn ergab. Dass das beim Diplom so ähnlich war, war mir damals noch nicht bewusst.

Welche Arbeitsstationen haben Sie anschließend durchlaufen?

Um auf eigenen Beinen stehen zu können und aufgrund der Umfirmierung unseres Familiengeschäftes habe ich dann die Geschäftsführung einer Parfümerie übernommen. Während meiner Studienzeit hatte ich schon nebenbei immer in dem Geschäft meiner Mutter als Verkäuferin gejobbt.

Außerdem trainiere ich seit meinem 12. Lebensjahr Karate. Später habe ich mich im Verein dann als Trainerin für Kinder und für Erwachsene engagiert. Auch im Bremer Karate Verband habe ich weitere Aufgaben erst als Frauenbeauftragte und dann als Sportdirektorin übernommen.

Wie ist es dann dazu gekommen, dass Sie doch Lehrerin geworden sind?

Ich habe ja nie wirklich eine Ausbildung im Bereich Wirtschaft oder Geschäftsführung gehabt. Das ging eher nach dem Prinzip „learning by doing“. So habe ich mir also beigebracht, wie man sich um so ein Unternehmen kümmert und dafür sorgt, dass es nicht pleite geht.

Die weitere Aufgabe war es dann natürlich, Kosmetikartikel und Parfums zu verkaufen. Das war auch ganz nett, aber hat mich dann irgendwann nicht mehr so sehr erfüllt. Mir haben meine Fächer, Biologie und Chemie gefehlt. Dann wurden plötzlich wieder Lehrer:innen händeringend gesucht. Ich habe mich daran erinnert, dass das ja schon immer mein Traumberuf war. Meine Mutter hat mich sehr unterstützt, indem sie wieder mehr Verantwortung im Geschäft übernommen hat, sodass ich dann gewisse Kapazitäten wieder frei hatte, neben der Geschäftsleitung noch auf Lehramt zu studieren. Dabei habe ich durch Glück jemanden wiedergetroffen, den ich bereits von meinem fachwissenschaftlichen Studium kannte. Da wir ähnliche Lebensläufe und Ziele hatten, konnten wir gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen.

Mein Referendariat habe ich im Bereich der Sekundarstufe 2 an der KSA und im Bereich der Sekundarstufe 1 an der Carl-Goerdeler-Straße absolviert. An den Schulen waren jedoch keine Stellen zu besetzen. Zu meinem Glück war jedoch die Vorsitzende meiner Prüfungen Frau Kelm daran interessiert mich einzustellen. So bin ich also an das Gymnasium Horn gekommen.

Wie lange arbeiten Sie schon am Gymnasium Horn?

Ich bin seit 2007 am Gymnasium Horn.

Wie verlief denn der Weg innerhalb des Gymnasiums Horn zur Schulleiterin?

Durch die Geschäftsführung in meiner eigenen GmbH habe ich die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit kennengelernt. Auch im Sport habe ich viele organisatorische und Leitungsaufgaben übernommen. Als Lehrkraft hatte ich mir eigentlich vorgenommen, einen sehr guten Job zu machen, aber mich nicht wieder unbedingt überall einbringen zu wollen. Das ist mir aber nicht gelungen. Nach einem halben Jahr an dieser Schule fiel mir dann hier und da etwas auf. Dann habe ich bei Frau Kelm freundlich an die Tür geklopft und gesagt, was mir aufgefallen ist und wie man das vielleicht besser oder anders machen könnte. Daraufhin hat Frau Kelm mich irgendwann gefragt, ob ich zur Steuergruppe der Schule gehören möchte. Ich hatte schon immer Spaß am Organisieren und war auch immer sehr ehrgeizig. Ich hatte den Anspruch, dass wenn ich an einer Schule unterrichte, ich dazu beitragen möchte, diese Schule zur besten Schule im ganzen Land zu machen.

Als sich die Organisationsstrukturen an den Schulen änderten, wurden am Gymnasium Horn die Jahrgangsleitungen eingeführt. Ich bewarb mich damals erfolgreich auf die Stelle einer Jahrgangsleitung. Zwischendurch hatte ich mich auch auf die Stelle der Oberstufenkoordinatorin und -leitung beworben, bin das aber nicht geworden. In 2018 wurde ich dann stellvertretende Schulleitung und letztes Jahr Schulleitung.

Was sind Ihre Aufgaben als Schulleiterin?

Die sind erstaunlich vielfältiger, als man glaubt. Erstmal vertrete ich die Schule natürlich nach außen hin. Ich bin verantwortlich für die Unterrichtsorganisation und -qualität, für den Personaleinsatz und die Personalentwicklung, für die finanzielle Seite, also den Schulhaushalt. Letztendlich trage ich für alles die Verantwortung. Ich habe aber natürlich die Möglichkeit, Aufgaben an geeignete Personen zu delegieren.

Was an diesem Standort noch dazukommt ist, dass ich noch für Baumaßnahmen verantwortlich bin. Ich muss jetzt Bauplanungen bewerten.

Welche Qualifikationen und Kompetenzen braucht eine Schulleiterin unbedingt?

Du musst auf jeden Fall in der Lage sein, gut zu organisieren. Auch dich selber gut zu organisieren, sonst geht man hoffnungslos unter. Man muss auch in der Lage sein, Prioritäten zu setzen. Und man muss delegieren können, was auch mir manchmal schwerfällt. Man darf keine Angst haben, Entscheidungen zu fällen und diese zu vertreten. Außerdem muss eine Schulleitung „breite Schultern“ haben und auch den Frust anderer Menschen aushalten können, ohne diese auf sich als Person zu beziehen.

Wie viel Macht haben Sie eigentlich als Schulleiterin?

Ich kann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und Konferenzbeschlüsse Entscheidungen treffen. Ich bin die Vorgesetzte aller Lehrkräfte und gegenüber Referendar:innen weisungsbefugt. Weiterhin vertrete ich das Hausrecht. Die Schulleitung agiert aber grundsätzlich in einem engen Korsett aus gesetzlichen Vorschriften und Verantwortlichkeiten auch im Rahmen von Konferenzbeschlüssen.

Gibt es denn in der Position als Schulleiterin etwas, was Sie jetzt direkt entscheiden können?

Ich agiere beispielsweise eigenverantwortlich, wenn Gefahr im Verzug ist oder ich nicht die Verantwortung für die von Konferenzen getroffenen Entscheidungen übernehmen kann. Dann habe ich ein Vetorecht. Außerdem hat die Schulleitung in vielen Fällen oder bei unentschiedenen Abstimmungen häufig ein Letztentscheidungsrecht. Dann ist meine Stimme maßgebend.

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit als Schulleiterin besonders viel Spaß?

Ich habe ja bereits gesagt, ich organisiere gerne. Es macht mir sehr viel Spaß, gute Strukturen zu schaffen und zu evaluieren. Ich probiere immer, alles zu optimieren und voranzubringen.

Ich freue mich, wenn ich sehe, dass wir eine gute Idee hatten und alles besser funktioniert.

Natürlich macht mir auch die Arbeit mit Menschen Spaß, sonst wäre ich ja keine Lehrerin geworden. In dem Moment, wo man Schulleitung wird und die Schule nach außen repräsentiert, ist man auch in vielen anderen Gremien beschäftigt. Man trifft viele andere Schulleiter:innen und ist mit ihnen in Gesprächen, versucht mit ihnen gemeinsam Ideen zu verfolgen und durchzusetzen. Oder man kommt in Kontakt mit dem Beirat und mit der Schulaufsicht, mit denen man ja vorher nicht so viel zu tun hatte. Auf der einen Seite hat man also seine Schule im Blick, auf der anderen Seite auch alles drum herum. Das gefällt mir sehr gut.

Welchen Herausforderungen müssen Sie sich aktuell stellen?

Die nächste Herausforderung wird sein, die Stellvertretung für mich zu finden. Bisher habe ich erst einen Findungsausschuss geleitet, für Jahrgangsleitungen. Ansonsten habe ich bisher nur als Kandidatin an Findungsausschüssen teilgenommen, jetzt lerne ich die andere Seite kennen.

Ein aktuelles Problem unserer Schule ist, dass wir dringend neue Sonderpädagog:innen brauchen. Dann natürlich noch die Bauvorhaben für den Anbau und dass wir dabei das Bestmögliche für uns erreichen. Sportunterricht ist aufgrund der fehlenden Sporthalle ebenfalls ein großes Problem. Auch die angestrebte Änderung der Schulordnung in Bezug auf die Nutzung von Handys beschäftigt mich. Wie kann man das gewinnbringend mit allen besprechen? Das frage ich mich oft. Was wir in der Schulleitung gerade auch als Thema haben, ist die Verbesserung der Kommunikationsstrukturen. Wie kann man Neuerungen gut implementieren, ohne dass es für alle mehr Arbeit bedeutet.

Was ich mir wünsche, ist eine positive Grundeinstellung von allen. Aber das ist auch die Sache, die sich natürlich am schwierigsten umsetzen lässt.

Ich möchte dafür sorgen, dass jeder Mensch an unserer Schule, sich wirklich mit dem Gymnasium Horn identifizieren kann. In unserem Karateverein habe ich das damals gut geschafft. Das erste, was jedes neue Mitglied immer haben wollte, war der Vereinspulli. Die haben sich mit ihrem Verein total identifiziert.

Wie sieht denn Ihr Alltag aus?

Dieser Job ist ein absoluter Zeitfresser. Im Moment sieht mein Alltag so aus, dass, wenn ich morgens aufstehe, ich auf das Handy gucke und sehe, wie viele Nachrichten ich für die Schule bekommen habe. Und, was ich wirklich noch nicht gut kann, ist dann einfach zu akzeptieren, dass ich das auch später machen kann. Dann bin ich spätestens, je nachdem, wie lange ich am Vorabend in der Schule war, um 9 Uhr hier.

Im Moment ist es so, dass sich viel in den Nachmittag und den Abend hineinzieht. Dann wird es auch irgendwann kritisch, wenn ich gefühlt gar keine Freizeit mehr habe, weil ich dann auch noch andere Dinge organisieren muss. Jetzt gerade bin ich auch voll im Abitur, sowohl in schriftlichen als auch in mündlichen Prüfungen. Zusätzlich zu den Prüfungen möchte ich meine Prüflinge gut betreuen und auf die Prüfungen vorbereiten

Bereuen Sie manchmal Ihre Entscheidung, Schulleiterin zu werden?

Manchmal habe ich mir überlegt, warum ich nicht einfach Lehrerin geblieben bin, weil ich doch auch immer so gerne unterrichtet habe. Das tue ich ja auch immer noch. Da schätze ich auch sehr die Kompetenz von Frau Kelm, die ich ja immer noch an meiner Seite habe. Ich wäre hier schon lange untergegangen, wenn Frau Kelm mich nicht unterstützt hätte. Ich habe ebenfalls ein sehr gutes Leitungsteam. Das ist das A und O. Wir halten in Krisensituationen immer zusammen und verteilen die Aufgaben. Auch ohne mein Team wäre die Arbeit nicht zu leisten.

Ich hoffe, dass ich das Ganze irgendwann genauso gut organisiert haben werde wie meinen Unterricht. Normalerweise hätte ich hier in manchen Situationen nicht noch mit halber Stelle unterrichten können, was ich ja aufgrund des Lehrermangels schon getan habe. Das kann ich nur, weil ich meinen Unterricht gut organisiert und langjährige Erfahrung habe. Am Wochenende lade ich die Materialien für die Unterrichtswoche auf itslearning hoch und stelle Pläne für meine Schüler:innen ein. Aber auch dafür würde ich mir mehr Zeit wünschen, dass ich mal ein bisschen mehr recherchieren könnte, ob es nicht noch etwas Schöneres gibt als das, was ich schon seit Jahren mache.

Wie viel Geld verdient man denn eigentlich als Schulleiterin?

Das ist komplett abhängig von deinen persönlichen Umständen. Da gibt es keine festgesetzte Summe, sondern es gibt die sogenannten “Besoldungsgruppen”. Die tatsächliche Besoldung hängt davon ab, wie alt du bist, ob du verheiratet bist, ob du Kinder hast, ob du verbeamtet bist oder nur angestellt. Es gibt hier durchaus Menschen, die ein niedrigeres Statusamt haben als ich, aber mehr verdienen, weil sie Familie haben, mehrere Kinder und so weiter.

Aber ich finde, dass ich genug verdiene. Trotzdem ist auch jeder Cent hart verdient. Es ist nicht so, dass ich sagen würde, dass ich überbezahlt bin.

Hätten Sie sich denn auch an einer anderen Schule auf den Posten der Schulleiterin beworben, wenn die Möglichkeit früher da gewesen wäre?

Nein, hätte ich nicht. Tatsächlich wurde mir der Posten der Schulleitung an einer anderen Schule angeboten. Eine Zeit lang sah es ja so aus, als würde ich nicht die Schulleiterin am Gymnasium Horn. Ich würde mich aber immer für das Gymnasium Horn entscheiden und nicht für das Statusamt. Mir geht es nicht darum, dass ich unbedingt Schulleitung sein möchte. Es ging mir immer darum, dass ich in diese Schule sehr viel Herzblut gesteckt habe und sie auch einfach gerne mag. Es war immer mein Ziel, diese Schule voranzubringen. Und zwar in der Position, die mir das ermöglicht. Und wenn ich nicht Schulleitung geworden wäre, hätte ich eben als Stellvertretung mein Bestes versucht.

Wie wichtig ist es Ihnen, was die Schüler, Lehrer und Eltern über Sie und Ihre Arbeit denken?

Feedback ist natürlich immer wichtig. Evaluation sollte man auch regelmäßig durchführen. Eine ehrliche und sachliche Rückmeldung finde ich total wichtig und ich bitte auch immer darum. Jeder Mensch hat ein eigenes Bild von sich selbst, aber das muss nicht zwangsläufig mit dem Fremdbild übereinstimmen.

Wir sind ja im Moment nur so weit, dass die Lehrer:innen den Schüler:innen regelmäßiges Feedback geben. Für mich wäre auch das Umgekehrte wichtig. Dass also die Lehrer:innen auch regelmäßiges Feedback bekommen. Mein Unterricht steht jederzeit für alle offen. Ich weiß aber, dass Transparenz und regelmäßige Feedbackkultur geübt werden müssen. Hierbei geht es sowohl um das Geben als auch das Annehmen von angemessenem Feedback.

Um nochmal zurück zur Frage zu kommen: ich finde es super wichtig und wünsche mir, regelmäßig Feedback zu bekommen.

Vielen Dank für das Interview. 

 

Fotos: Philipp Olde Kalter