Thomas Röwekamp, wie wird man Bundestagsabgeordneter?
Drei Schülerzeitungsredakteur/innen konnten Thomas Röwekamp einige Fragen stellen. Er ist Abgeordneter der CDU und für Bremen im Bundestag und ist im Verteidigungs– und Untersuchungsausschuss Afghanistan tätig und Berichterstatter für alle maritimen Themen.
Schülerzeitung: Stellen Sie sich bitte einmal vor.
Thomas Röwekamp: Mein Name ist Thomas Röwekamp, ich bin 57 Jahre alt, verheiratet, drei erwachsene Kinder, die alle noch in der Ausbildung sind, wohne in Bremen und bin für die Bremer CDU der einzige Bundestagsabgeordnete. Ich bin Mitglied im Verteidigungsausschuss, Berichterstatter für alle maritimen Themen, aber auch im Untersuchungsausschuss Afghanistan. In meinem zivilen Leben bin ich Rechtsanwalt.
Warum sind Sie Politiker geworden?
Das ist schon lange her, aber ich erinnere mich noch genau: Ich habe mich über meine Arbeit in der Schülervertretung für Politik interessiert. Damals gab es eine Menge schulpolitische Themen, insbesondere Schulschließungen in Bremerhaven waren damals ein Thema. Dann gab es eine Reform der gymnasialen Oberstufe, es gab die sogenannte Orientierungsstufe und es gab unterausgestattete Bildungsinfrastrukturen. So bin ich über die Bildungspolitik in die Politik gekommen. Über die Arbeit in der Schülervertretung wollte ich dann einer Partei beitreten und mich orientieren. Ich habe mich umgehört, welche Partei am ehesten in Frage kommt und so bin ich zur CDU gekommen.
Was machen Sie als Bundestagsabgeordneter?
Es gibt eigentlich drei Tätigkeiten. Die eine ist, dass ich Vertreter der beiden Wahlkreise Bremens im deutschen Bundestag bin.
Das zweite Thema ist, dass ich Politik auch so verstehe, dass man eine fachliche Zuständigkeit hat. Bei mir ist es der Verteidigungsausschuss und im Verteidigungsausschuss sind es eben bestimmte Themen. Ich bin Berichterstatter für alles, was die Marine betrifft, ich kümmere mich da allerdings auch um regionale Themen, ich bin zum Beispiel Berichterstatter für den Nahen Osten und deswegen gerade sehr viel mit dem Thema Angriff der Hamas auf Israel beschäftigt. Es gibt bestimmte Themen, wo ich sage, da bin ich Bundestagsabgeordneter, da bin ich nicht nur für meinen Wahlkreis verantwortlich und verpflichtet, sondern habe eine nationale Aufgabe. Und ich verstehe mich auch als Mittler, also alles, was hier in Berlin passiert, worüber die Menschen reden, das auch nach Bremen zu transportieren und an Veranstaltungen teilzunehmen, meine politischen Überzeugungen zu vertreten, dafür zu werben aber auch andere Politikfelder zu erklären und umgekehrt natürlich die Anliegen, die an mich herangetragen werden, entsprechend hier in Berlin weiterzutragen und mich darum zu kümmern.
Wie wird man Bundestagsabgeordneter?
Formal gibt es einen Weg. Es steht jedem volljährigen Deutschen frei, sich für den deutschen Bundestag zu bewerben. In der Regel geht das über politische Parteien. Wir in Deutschland haben uns mit dem Grundgesetz bewusst für eine sogenannte Parteiendemokratie entschieden. Das heißt, die Parteien wirken an der Willensbildung in politischen Fragen mit und sind ein Teil unserer Institution. Deswegen ist der erste Schritt, wenn man sich politisch engagieren will, dass man eine Partei findet. Dann kann man sich in der Partei engagieren und sich um Mandate bewerben. Aber am Ende stellen immer Parteien Kandidatenlisten auf, sowohl für den direkten Wahlkreis als auch für die Liste der jeweiligen Partei für Wahlen und darum kann man sich bewerben. Wenn man parteiintern ausgewählt ist, bemüht man sich eben, im Wahlkampf, im Wettbewerb mit den Vertretern der anderen Parteien, um das Mandat und wenn das dann erfolgreich ist, wird man Abgeordneter.
Was verdient ein Bundestagsabgeordneter und wie unterscheiden sie sich zwischen verschiedenen Abgeordneten bzw. wie wird das festgelegt?
Die Entschädigung für Bundestagsabgeordnete orientiert sich an der Entschädigung für Richterinnen und Richter an obersten Gerichten. Das ist eine bewusste Entscheidung gewesen, dass man gesagt hat, das sind ja unterschiedliche Gewalten und das soll sich irgendwie im Kräfteverhältnis widerspiegeln und deswegen ist die Vergütung ähnlich geregelt. Zurzeit verdient ein Bundestagsabgeordneter Brutto ungefähr 10.600 Euro im Monat. Und danach bekommt man noch eine gewisse Infrastruktur bezahlt, also Geld für Mitarbeiter, Büroausstattung und einen Mehraufwand, weil man einen zweiten Wohnsitz in Berlin hat.
Wie oft sind sie in Berlin?
Im Prinzip jede zweite Woche. Wir haben immer Sitzungswochen und sitzungsfreie Wochen. Das soll ermöglichen, dass in unserem System, wo Abgeordnete einerseits die Aufgabe haben, sich hier in Berlin in den Gremien, im Bundestag, in den Ausschüssen um die inhaltliche Arbeit zu kümmern. Es soll aber auch die Bindung der Abgeordneten aus der Gegend, aus der sie kommen, stärken und deswegen gibt es immer eine Sitzungswoche in Berlin, in der alle Sitzungen sind, das Plenum und parallel die Ausschüsse tagen und es gibt die Arbeitsgruppensitzungen. So eine Woche wechselt sich dann mit einer Woche ab, die man frei hat und im Wahlkreis unterwegs ist. In meinem Fall eben Bremen, man hat da Termine und kümmert sich um seine Aufgaben.
Wie kommen Sie von Berlin nach Bremen?
Ich fahre beide Strecken nur mit dem Zug. Ich bin insgesamt glaube ich dreimal mit dem Auto gefahren, aber nur, weil wir die Möbel und so hin und her transportieren mussten, als wir in Berlin eine Wohnung gesucht haben.
Sie waren Senator für Inneres und Sport in der Landesregierung von Bremen. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht und wie hat das sich auf Ihre politische Laufbahn ausgewirkt?
Das ist die dritte Säule, die Exekutive, also die Seite der Verwaltung. Das ist schon eine wichtige Erfahrung für mich gewesen, weil man auf der einen Seite natürlich das kennt, was man kontrolliert. Abgeordnete haben auch den Auftrag, das, was die Regierung macht, zu kontrollieren, dazu Verbesserungsvorschläge zu machen, sich dazu eine Meinung zu bilden und der Regierung Aufträge zu geben, worum sie sich kümmern soll. Wenn man dann einmal auf der anderen Seite gewesen ist und sozusagen weiß, was da für Aufträge kommen und wie die verarbeitet werden, das macht das Wissen breiter. Das zweite ist, dass das natürlich eine bestimmte Führungserfahrung ist. Wenn man einmal Senator gewesen ist, hat man auch personelle Verantwortung gehabt für einige tausend öffentlich Beschäftigte, also all diese Themen, mit denen sich eben ein Regierungsmitglied beschäftigen muss. Und das ist ein breiter Erfahrungsschatz, man weiß, wie Behörden funktionieren, kennt bestimmte Sachverhalte und die Quellen. Es hat sich auf jeden Fall für mich gelohnt, das waren vier wertvolle Jahre.
Sie waren auch stellvertretender Bürgermeister in Bremen. Wie ist die Arbeit in der Bremischen Bürgerschaft und wie unterscheidet sie sich genau von ihrer jetzigen Arbeit?
Die Arbeit im Landtag ist von der Grundstruktur der Aufgaben die gleiche. Man muss allerdings sagen, dass die Themen andere sind. Im Landesparlament, in der Landesregierung geht es im Wesentlichen um lokale Themen, das Land ist nach dem Grundgesetz ja für bestimmte Bereiche zuständig, beispielsweise für Bildung, für innere Sicherheit, also Polizei und Verfassungsschutz und auch für soziale Daseinsfürsorge. Allerdings haben wir in Bremen 84 Landtagsabgeordnete, in Berlin sind wir 736. Das ist natürlich auch eine andere Dimension, man arbeitet hier auch anders. Alle Gremien sind größer, jeder Ausschuss ist größer, die Fraktionen sind größer, das Plenum ist größer, das ist eine andere Arbeitsatmosphäre. Was mich am meisten überrascht hat ist, dass es hier in Berlin eine völlig andere Diskussionskultur gibt. Also in Bremen kenne ich das so, dass man im Parlament mit Rede und Widerrede um die besten Argumente streitet und auch ein bisschen versucht, den anderen zu überzeugen. Hier ist alles sehr formalisiert, in der Regel darf man drei Minuten reden, was natürlich oft eine sehr große Herausforderung ist.
Sie haben schon in vielen Projekten mitgearbeitet, auf welches sind Sie besonders stolz?
Ehrlich gesagt bin ich am meisten stolz auf den sogenannten Bremer Bildungskonsens. Ich habe ja vorhin über die Zeit erzählt, wo ich angefangen habe, mich politisch zu engagieren, da war Bildungspolitik stark ideologisiert. Da gab es eben diejenigen, die waren uneingeschränkt nur für die Gesamtschule und wollten alle Gymnasien abschaffen, möglichst lange gemeinsames Lernen. Und dann gab es welche wie wir, die gesagt haben, wir sind eigentlich im Prinzip für ein gegliedertes Schulsystem. Dann gab es immer unterschiedliche Regierungen und jede hat sich immer probiert und am Ende hatten wir in Bremen glaube ich vierzig unterschiedliche Schulformen. Und ich habe damals den Bremer Bildungskonsens initiiert, weil ich gesagt habe, ich möchte nicht länger über Strukturfragen streiten, sondern ich möchte gemeinsam dafür sorgen, dass wir einmal eine Struktur überparteilich verabreden und so dann eine bessere Schule organisieren. Und den haben andere Bundesländer teilweise nachgemacht und ich würde sagen, das ist etwas, wo ich besonders stolz drauf bin, weil es ihn heute noch gibt und wovon ich noch heute überzeugt bin, dass es gut ist, Bildungspolitik nicht mit ideologischen Scheuklappen zu machen, sondern das gemeinsam zu machen und darüber zu streiten, wie man eigentlich in der Struktur bessere Schule machen kann.
Was ist Ihrer Meinung nach momentan die größte Herausforderung in der Politik?
Also da würde ich jetzt mittlerweile zwei Dinge sagen.
Früher hätte ich immer gesagt: Bildung, Bildung, Bildung. Ich werbe sehr dafür, dass wir in Deutschland von diesem Bildungsföderalismus wegkommen, wo wir 16 unterschiedliche Systeme, 16 unterschiedliche Ausstattungen und leider am Ende eben auch 16 unterschiedliche Bildungserfolge in den Bundesländern haben. Ich glaube nicht, dass Kinder schlauer sind, weil sie aus einem bestimmten Bundesland oder gut situierten bildungsaffinen Familien kommen, sondern, dass alle Kinder unterschiedliche Begabungen und Fähigkeiten haben. Der Auftrag eines staatlichen Bildungssystems ist eigentlich, diese Talente zu erkennen und optimal zu fördern und sich bestmöglich um das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler zu kümmern. Hinzu kommt, dass das Wissen in euren Köpfen die wichtigste Ressource ist, die wir in Deutschland haben, und wovon unsere ganze Leistungsfähigkeit abhängt. Deswegen finde ich das einfach verschwendete Energie, wenn wir das in 16 verschiedene Systeme zergliedern.
Das zweite ist, wir kommen aus einer langen Phase des Wohlstandes, des Friedens, der Demokratie und der Stabilität, in der ihr euch wahrscheinlich auch völlig frei einen Arbeitsplatz suchen könnt. Aus der kommen wir aber jetzt raus, weil wir merken, dass mit dem Krieg Russlands in der Ukraine, mit dem Konflikt im Nahen Osten, mit der Abhängigkeit von Lieferketten beim Gas, dass wir auch einen hohen Preis dafür bezahlt haben, dass wir immer in diesem Wohlstand gelebt haben und das wird nicht auf Dauer so weitergehen.
Deswegen glaube ich, ist die große Herausforderung an politische Entscheidungsträger, dass wir wieder Projekte priorisieren und sagen müssen, was uns das wichtigste ist und können nicht immer allen alles versprechen, sondern müssen ganz klar sagen, im Moment müssen wir in ein bestimmtes Projekt investieren, wie zum Beispiel Klimaschutz und dafür kommen andere leider zu kurz. Und man muss den Mut haben, Menschen zu sagen, was nicht geht.
Möchten Sie in Zukunft Bundestagsabgeordneter bleiben oder würden Sie zum Beispiel auch Minister oder Bundeskanzler werden wollen?
Ich bin mit Leib und Seele Abgeordneter. Ich war ja vier Jahre Senator, das war auch eine spannende Zeit. Aber ich liebe die Debatte und den Streit um die bessere Idee und den Parlamentarismus und das freie Wort, dass man für seine Überzeugung werben kann. Also ich bin, glaube ich, von meiner Veranlagung her geborener Parlamentarier.
Sie sind stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energien. Denken Sie, dass Deutschland genug für den Klimaschutz tut?
Im Saldo ja, aber ich finde, dass es noch zu kompliziert ist. Das große Beispiel ist dieses Heizungsgesetz gewesen. Das will ich gerne zugestehen, dass aus einer gut verstandenen Motivlage heraus entstanden ist, dass man über die Wärmeerzeugung in privaten Haushalten reden muss, wenn man klimaneutral werden möchte und da gibt es effektivere Methoden, das zu tun. Das finde ich richtig, aber darauf ist ein so großes bürokratisches Monster gelegt worden, dass wir das Ziel am Ende aus den Augen verloren haben und die Leute waren nicht davon überzeugt.
Ich habe den Eindruck, dass die Menschen im Moment denken, man kann die Klimaziele erreichen, ohne dass sich für ihr individuelles Leben etwas ändert und das wird so nicht möglich sein. Wir können das schaffen, die Klimaneutralität, zumindest in Deutschland, zu erzeugen. Damit ist das Klima natürlich noch nicht gerettet, weil wir um uns herum Länder haben, die nicht so ehrgeizige Klimaschutzziele haben, aber ich glaube, in Deutschland können wir das schaffen, wenn die Leute davon überzeugt sind.
Und auch zu dem Thema, was halten Sie von Deutschlands Atomaustritt?
Ich bin davon überzeugt, dass es richtig war, damals nach Fukushima die deutschen Kernkraftwerke abzuschalten. Allerdings muss man mit dem Wissen von heute sagen, dass wir uns da eigentlich überfordert haben, weil wir aus der Kernenergie ausgestiegen sind und danach darüber geredet haben, dass wir auch aus der Kohle aussteigen müssen. Damit sind wir die einzige Volkswirtschaft weltweit, die auf zwei Energiequellen verzichtet hat. Aber das konnten wir nicht kompensieren, denn so schnell sind regenerative Energien nicht mitgewachsen. Deswegen würde ich sagen, mit dem Wissen von heute war es wahrscheinlich falsch herum. Wir hätten uns erst von der wesentlich umweltschädlicheren Kohle verabschieden müssen, um uns danach um den Atomausstieg zu kümmern.
Wenn es in Zukunft aber irgendwann eine wissenschaftliche Entwicklung gibt, die die Nutzung von Kernspaltung möglich macht ohne die Risiken, also insbesondere ohne das Endlagerproblem, bin ich dafür, dass wir sie auch nutzen.
Wenn sie jetzt alleine regieren könnten, was würden sie dann in der Politik verändern?
Ich würde auf jeden Fall mein Herzensprojekt angehen und sagen, wir müssen zu einer nationalen Anstrengung im Bereich Bildung kommen. Es muss sowas wie eine deutsche Bildungsoffensive geben, wo wir das machen, was wir eben besprochen haben
Das zweite ist, dass wir in der Europäischen Union mehr Gemeinsamkeit erzeugen in den zentralen Themen. Die Migration ist zum Beispiel in Deutschland eine große Herausforderung, wäre aber für alle europäischen Mitgliedsstaaten kein Problem.
Deswegen wäre mein zweites großes Projekt, wenn wir die absolute Mehrheit hätten, dafür zu sorgen, dass es mehr Gemeinsamkeit in Europa gibt.
Welche Stadt mögen sie lieber, Berlin oder Bremen?
Allein weil ich Fußballfan bin, mag ich Bremen lieber.
Ich muss schon sagen, Berlin hat auch etwas. Es ist natürlich wesentlich größer, es bietet viel mehr Kultur und Veranstaltungen und es ist schon eine tolle Stadt. Aber Bremen ist meine Heimat und dort fühle ich mich auch wohler. Ich bin auch mehr in Bremen als in Berlin. Also die Wochenenden in der Regel immer und die Sitzungsfreien Wochen auch.