„Ich bin ein versprengter Geist“

17 Minuten Lesezeit

Herr Roth ist seit mehr als fünfzehn Jahren Lehrer am Gymnasium Horn. Mehr als 10 Jahre ist er schon Vertrauenslehrer. In diesem Interview erzählt er uns etwas über seine Aufgaben als solcher, seine Beruflaufbahn vor seiner Zeit als Lehrer und über seine Lieblingstätigkeit — Kunst machen.

 

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Vertrauenslehrer aus?

Ein guter Vertrauenslehrer muss, glaube ich, in der Lage sein, mehrere Sichtweisen einzunehmen. Nämlich die der Schule oder die der Lehrer, der Erwachsenen und natürlich auch die der Kinder. Ein guter Vertrauenslehrer muss trotzdem über Grenzen sprechen, was ist in Ordnung, was ist nicht in Ordnung und er muss das Potenzial in Kindern sehen. Also ihr seid ja praktisch Jugendliche, bei euch verändert sich noch ganz viel und ihr seht ganz viele Dinge ganz anders als wir Erwachsenen. Und ihr werdet unglaubliche Potenziale in euch tragen. Wir dürfen die sozusagen nicht kaputt machen, also wenn wir auf eine Art und Weise mit euch umgehen, die euch signalisieren würde: “Es ist mit mir ja gar nichts anzufangen.” Sondern ihr müsst eher das Vertrauen zu euch selber gewinnen und an eure Potenziale glauben. Ein Vertrauenslehrer muss den Leuten klar machen, dass sie diese haben.

Gibt es dazu denn Fortbildungsmöglichkeiten?

Dazu gibt es Fortbildungsmöglichkeiten, aber die sind relativ dünn gesät. Ich mache das jetzt schon so lange und ich habe damals nichts von solchen Fortbildungsmöglichkeiten gehört. Inzwischen gibt es das aber, ich weiß allerdings nicht genau, was da die Inhalte sind.

Wie lange machen Sie das schon?

Ich mache das jetzt schon mindestens zehn Jahre. 

Was sind Ihre Aufgaben als Vertrauenslehrer? Kommen oft Schüler zu Ihnen?

Also es kommen oft Schüler zu mir, die verschiedenste Probleme haben. Ich kann manche Probleme natürlich gut mit ihnen erörtern, andere Probleme sind so schwerwiegend, dass ich absolut an meine Grenzen stoße. Es geht ja immer darum, dass die Menschen sich gut fühlen, am Ende. Ich kann natürlich nicht zaubern und wenn Leute wirklich schwerwiegende Probleme haben, zuhause oder auch hier in der Schule, wenn die viele negative Einflüsse erfahren oder gar Gewalt und solche Geschichten, da bin ich schnell an den Grenzen. Wir müssen dann ans ReBUZ verweisen oder an andere psychologische Einrichtungen. Ansonsten habe ich halt die Aufgabe, Konferenzen zu begleiten. Wenn es also irgendwelche Sachen gibt die jemand sozusagen verbrochen hat und dann kommt eine Konferenz, muss ich da mit sitzen und beurteilen, wie der junge Mensch zu dem steht was passiert ist und was er gemacht hat und wie man sozusagen eine positive Perspektive entwickelt. Dass er auch Lust hat weiter hier zu sein und, was wir vorhin schon hatten, dass er sagt: “Okay, ich mache jetzt Schritte nach vorne.” Das ist mein Job.

Was macht den Job als Vertrauenslehrer besonders interessant für Sie?

Dass ich eben vielfach Dinge von außen angucken kann. Das ist ja so, dass die Leute, die euch unterrichten, schon ein bestimmtes Verhältnis zu euch haben. Und wenn jetzt zum Beispiel der Lehrer den ihr jeden Tag seht sagt: “Das geht so oder so nicht”, dann steht das immer sozusagen unter diesem Gefühl “Ach, der mag mich sowieso nicht” oder “Der ist sowieso nicht interessiert, was mit mir ist” oder, oder, oder. Ich habe als Vertrauenslehrer den Vorteil, dass ich in die Situation von außen hineingucken kann. Und das ist nicht so besetzt. Wenn ich auftauche und mit einem Schüler spreche, dann ist das oft ein bisschen neutraler.

Wo waren Sie als Vertrauenslehrer mit Ihrer Arbeit schon mal unzufrieden? Was hätten Sie anders gemacht und wie sind Sie damit umgegangen?

Ich war natürlich schon öfter unzufrieden, wenn ich den Eindruck von mir selber habe, dass ich diesen jungen Menschen in irgendeiner Konferenz nicht verstehe. Ich verstehe diesen Menschen nicht und ich verstehe auch seine Eltern nicht. Ich war dann unzufrieden, weil ich keinen Zugang zu deren Gedankenwelt aufbauen konnte. Und wenn ich das nicht kann, dann kann ich auch nichts wirklich konstruktives machen. Die Konferenz beispielsweise beschließt dann ja häufig irgendwelche Sanktionen. Sie muss das nicht, macht sie aber oft, weil die zu Grunde liegenden Fälle das verlangen. Aber richtig konstruktiv für die Zukunft kann man eigentlich nur etwas beschließen und kommunizieren, wenn man verstanden hat, warum die anderen so sind wie sie sind. Und manchmal gelingt mir das halt nicht. 

Wie wirkt sich dieses Amt auf Ihre Arbeitszeiten und Ihr Gehalt aus?

Auf mein Gehalt wirkt sich das gar nicht aus. Die ersten fünf Jahre habe ich das ohne Gegenleistung gemacht, seitdem bekomme ich eine Stunde gutgeschrieben. Eine volle Stelle ist 26 Unterrichtsstunden und ich müsste dann nur 25 Stunden unterrichten. Ich habe ja auch nur eine ⅔ Stelle, also 16 Stunden die Woche, müsste dann aber nur 15 unterrichten.

Sie unterrichten außerdem Kunst, Werken, Sport und Darstellendes Spiel. Welches Ihrer Fächer macht Ihnen am meisten Spaß und warum?

Darstellendes Spiel und Werken machen mir noch mehr Spaß als Kunst und Sport, weil es bei dem Darstellenden Spiel noch freier ist. Bei Kunst hat man oft Material, wie Farben oder Blätter und beim Darstellenden Spiel hat man nur Texte oder macht diese Texte sogar noch selbst. Das heißt also, die Auseinandersetzung mit sich selbst ist für die Schüler im Darstellenden Spiel noch intensiver. Denn selbst wenn sie dieses Material haben, sind sie es, die sozusagen durch ihren Körper hindurch diese Texte bringen müssen. Die Texte bleiben ja einfach Tinte auf Papier, sobald nicht jemand anfängt sie zu sprechen. Und dieses Sprechen, das macht natürlich ein menschlicher Körper und das ist das Intensivste, was es gibt. Und deswegen finde ich das gut.

Welche Erfahrungen von vor Ihrer Zeit als Lehrer helfen Ihnen bei Ihrem jetzigen Beruf und vor allem auch als Vertrauenslehrer?

 

Ich habe 6,5 Jahre in einer Drogennotunterkunft gearbeitet. Das heißt das sind Leute, die von illegalen Drogen abhängig sind und die kein Obdach haben. Das sind sehr kaputte Leute, nach landläufiger Auffassung, die sind aber auch körperlich sehr hinfällig und kaputt und die sind oft auch schon am Ende ihres Lebens. Sie sind aber auch oft schwerst straffällig und mit diesen Menschen, die so am Rande unserer Gesellschaft leben, habe ich viele Erfahrungen gemacht. Sozusagen, so witzig es klingt, worum es im Leben eigentlich geht. Wir gesunden Menschen, wir bürgerlichen Menschen, haben so viel Luxus und Überflüssiges, dass wir gar nicht mehr wissen, worum es im Grunde geht. Bei Glück und Liebe und sowas. Das gibt es auf einem ganz anderen Level nämlich auch, aber wir sind das nicht mehr gewöhnt. Diese Erfahrung hilft mir natürlich heute. Andererseits, bin ich ausgebildeter Schauspieler, also kann ich deswegen Darstellendes Spiel ganz gut unterrichten. Und dann habe ich drei Jahre in einer Möbelspedition gearbeitet, habe also praktisch Umzüge gemacht und da erlebt man auch Leute in Ausnahmesituation. Wenn man umzieht, ist man sehr aufgeregt und sehr durcheinander, sehr angestrengt. Das war immer sehr interessant, die Leute dann zu erleben und denen im Laufe des Umzugstages sozusagen das Gefühl zu geben, das wird alles gut. Das war ein schönes Gefühl. 

Neben dem Unterricht in der Schule sind Sie ja auch privat als Künstler tätig. So setzten Sie zum Beispiel das Projekt Metal Henge um. Auf welches Ihrer Kunstwerke sind Sie besonders stolz?

Das ist schwer zu sagen. Metal Henge ist eigentlich das einzige Kunstwerk von mir, was eine größere Bekanntheit erreicht hat, aber ich habe auch andere gemacht. Diese Kunst, die ich mache, beschäftigt sich immer damit, sozusagen den Menschen dazu zu verführen, sich selbst wieder zu betrachten. Also bei Metal Henge ist das auch so, man geht rauf auf einen Berg voll Müll und steht in diesem Kreis, man erinnert sich an ein uraltes Kunstwerk und auf dem Wege kann man sagen: “Wo stehe ich hier eigentlich?” “Wie lebe ich eigentlich?” “Wer bin ich eigentlich?” “Und muss ich so leben?“ “Was ist meine Normalität?” Und in der Hinsicht habe ich auch andere Kunstwerke gemacht, manche haben auch schon irgendwo gestanden und ich fand einige davon sehr interessant, aber andere fanden das wahrscheinlich nicht so. Deswegen werde ich wohl unterm Strich auf Metal Henge am stolzesten sein.

Sie planen auch den “Turm Babel”. Wie geht es mit der Planung dieses Turms voran? 

Da geht es momentan gar nicht voran. Die Idee ist, dass wir im Moment in einer Gesellschaft leben, die immer weiter zerfällt. Die Leute leben in immer mehr verschiedenen Blasen und in ihren Echokammern und verlieren immer mehr ihre Möglichkeiten, sich untereinander zu verständigen. Das ist natürlich damals in dieser biblischen Geschichte in Babylon auch so passiert. Die Menschen sind verstiegen und haben sich dann nicht mehr verstanden. Und deswegen ist der Turm, den sie bauen wollten, dann auch kaputt gegangen und mein Turm Babel soll so einer sein, den man auch begehen kann. Da soll man hinaufgehen können, er soll etwa 60 Meter hoch werden. Und er soll auf- und abbaubar sein, er soll also sozusagen wie ein Jahrmarktskarussel um die Welt reisen können. Und wenn man rauf geht, hört man am Anfang eine nette, freundliche Stimme nette, freundliche Dinge sagen. Man hört eine nette, freundliche Musik im Hintergrund und je höher man kommt, desto schrecklicher wird das, desto härter, unverständlicher, bis es dann nur noch Krach ist. Das wäre sozusagen ein direktes, körperliches Erleben dessen, was im Moment in dieser Gesellschaft stattfindet. Und zwar eine Zerstörung von innen her. 

Und wird das bald auch irgendwo stehen?

Ich fürchte, das wird sehr schwer. Man muss bei so einem großen Projekt erstmal jemanden finden, der es bezahlen möchte und man muss auch die Aufstellung genehmigen lassen. Ich wollte, dass das ganze in Berlin anfängt, weil das unsere Hauptstadt ist und weil da sehr viele Strömungen zusammenkommen. Und ob die Stadt Berlin mir erlaubt, das irgendwo hinzustellen, das weiß ich nicht. Aber ich bleibe natürlich dran, das ist eine langjährige Geschichte. Metal Henge hat auch über zehn Jahre gedauert, fast fünfzehn.

Sie sind als ausgebildeter Schauspieler tätig gewesen, gibt es bekannte Filme oder Serien, in denen Sie mitgespielt haben oder bekannte Hörbücher, die Sie vertont haben?

Hörbücher habe ich kürzlich gemacht. Es gibt ein Hörbuch, das heißt “Madonnas letzter Traum”. Das ist von einem türkischen Autor Doğan Akhanlı, der hat den Goethepreis gewonnen. Das ist natürlich ein bekannter Preis, deswegen ist das Buch vielleicht auch ein bisschen bekannt. Und damit werde ich vielleicht ab und zu gehört, eben von Leuten, die dieses Hörbuch kaufen. Ansonsten sind das sehr unbekannte Sachen, die ich mache. Das bisschen Fernsehen, das ich gemacht habe, das sind keine großartigen Sachen gewesen, ich bin in der ein oder anderen Serie aufgetaucht. Ich muss mich wirklich jetzt daran erinnern, weil das schon über 20 Jahre her ist. Ich habe im Bremer Tatort mitgespielt, aber da war ich natürlich ein Polizist, der mit einer zu großen Mütze im Dunkeln rumkriecht, da hat man nicht wirklich was gesehen. Es war eine schöne Arbeit, für die es warnsinnig viel Geld gab. Ich habe damals eigentlich am Theater gearbeitet. Da habe ich im Monat so viel verdient wie beim Fernsehen an einem Tag. Und deswegen hat man das natürlich gerne gemacht, auch wenn man kaum zu sehen war.

Sie haben sich selbst mal als einen versprengten Geist bezeichnet. Wie meinen Sie das?

Weil ich nirgendwo richtig hingehöre. Dass ich jetzt so lange an der Schule arbeite, liegt daran, dass ich so alt war, als ich hier angefangen habe. Wie gesagt, ich war ja früher Schauspieler und alles mögliche und damit war ein Leben verbunden, was ich nicht ertragen habe. Dann kam damals noch eine persönliche Krise dazu und dann habe ich gesagt, ich muss mein ganzes Leben komplett umstellen. Dann bin ich eben Lehrer geworden, aber in die Schule gehöre ich auch nicht richtig, habe ich den Eindruck. Ich finde, Schule ist schon ein sehr seltsames Konstrukt. Es wird als totale Normalität angesehen, aber wenn man es genau betrachtet, ist es ein sehr seltsames Konstrukt, denn alle, die damit zu tun haben, sind hochgradig angestrengt und haben Mühe, dabei zu bleiben. Aber jetzt bin ich hier drinnen und da ich schon so alt bin, kann ich nicht nochmal was anderes anfangen.

Also können Sie sich nicht vorstellen, nochmal in einem ganz anderen Berufsfeld tätig zu werden?

Ich könnte es mir sogar vorstellen, aber man muss immer auch reinkommen und man muss immer auch eine Position hinkriegen, dort wo man sagt, hier kriege ich was für meine Arbeit. Und jetzt bin ich 58 und ich plane eher mit 60, aber wenn ich Pech habe, erst mit 63 mit der Schule aufzuhören. Dann würde ich gerne mehr Hörbücher machen und solche Geschichten.

Und wenn es ein ganz anderes Berufsfeld wäre, was wäre das dann für Sie? Zum Beispiel Politiker?

Nein, ich glaube, ich würde sehr durcheinander kommen, wenn ich Politiker wäre. Ich glaube, wenn ich mir heute Politik ansehe, gibt es ein Glaubwürdigkeitsproblem und ich stelle mir manchmal vor, wie ich positioniert bin und was ich den Leuten also sagen würde. Und dann stelle ich mir im zweiten Gedanken vor, wie lange ich das durchhalten könnte. Also, wie schnell wird man pragmatisch, mit anderen Worten, wie schnell fängt man an, um die Sachen drumherum zu reden, vielleicht sogar ein bisschen zu lügen, damit die eigene politische Richtung beibehalten werden kann. Also ich wäre nichts als Politiker. Es gibt auch zu viele Sachen, die mich jetzt so dermaßen aufregen, dass ich wahrscheinlich ein ziemlich unmöglicher Typ wäre. Und ein anderes Berufsfeld habt ihr gefragt, also ich finde Architektur super interessant.

Architektur hat aber auch etwas Künstlerisches, gehen wir mal von einem ganz anderen Berufsfeld aus.

Ich könnte mir die Raumfahrt sehr gut vorstellen. Ich könnte 10 Jahre meines Lebens hergeben, wenn ich auf den Mond könnte, aber da habe ich auch schon wieder meine Sorgen, weil die Energie, die es braucht, einen Menschen auf den Mond zu bringen, ist so hoch, dass ein ganzes Dorf ein ganzes Leben davon leben kann. Aber ich fände es fantastisch, die Erde zu sehen.

Sie stellen sich auch selber Fragen wie: “Was fängt man mit sich an?” “Was ist Normalität?”

Ja, das ist eine Frage, die einen das ganze Leben weiter begleitet, auch wenn man viermal so alt ist wie ihr jetzt seid. Ich glaube, dass, was wir jetzt erleben, ist keine Normalität. Ich glaube, wir sind sogar sehr weit davon weg. Wir spüren im Prinzip viel zu wenig, wie wir mit dem Planeten verbunden sind. Zwischen dem Planeten ist halt das Geschäft, es wird mit allem ein Geschäft gemacht, sei es mit Nahrungsmitteln, mit Energie, aber Normalität ist im Grunde genommen, dass wir von dem Planeten leben. Der Planet hat die Energie, die Nahrung, die Luft, das Wasser, die Erde. Er ist das, was wir zum Leben brauchen. Wir leben von ihm, aber das spüren wir nicht, sondern wir gehen eben zu REWE und kaufen alles und das ist das Geschäft, was dazwischen steht. Das hat uns so, man kann schon fast sagen, bewusstlos gemacht, dass wir die Beziehung nicht mehr spüren. Es gab mal so einen Witz. Als ich in eurem Alter war sagte man: “Heutzutage glauben viele Kinder, Milch komme aus dem Supermarkt”. Und das ist was ich meine, Normalität ist eben praktisch, dass die Milch aus der Mama oder eben der Kuh oder aus der Ziege kommt.

Sie nehmen das Einsammeln von Smartphones ja durchaus sehr ernst. Wie ist Ihre Meinung zu Smartphones und tragen diese und Social Media zu dem von Ihnen angesprochenen Verfall der Gesellschaft bei?

Smartphones sind als die Apparate, die sie sind, fantastische Maschinen, wandelnde Lexika, Informationsquellen und die Apparate selber sind nicht das Problem. Das Problem ist, dass es ein ganz geringes Bewusstsein dafür gibt, wann es genug oder zu viel ist. Ich habe gestern meine Freundin vom Flughafen abgeholt und da sind natürlich auch andere Leute gewesen. Aber die Leute können nicht fünf Minuten irgendwo stehen, ohne reflexhaft das Smartphone vor das Gesicht zu halten, was immer die da machen. Ich bin ziemlich sicher, dass das meiste davon überflüssig ist und ich habe regelrecht Angst davor, dass wir einfach das Leben vergessen, solange wir Unterhaltung haben und das finde ich schrecklich. Und ich finde es besonders schrecklich, dass das hier so jungen Menschen schon geschieht. Ihr werdet ausgestattet mit diesen Smartphones, wer keins hat, wird komisch angeguckt und diese Smartphones haben irgendwie eine Art von Gewalt über viele. Ich glaube, viele haben es schon vor dem Gesicht, bevor sie darüber nachdenken, was sie wollen. Aber es gibt auf der anderen Seite auch tausend Sachen, die sie bei dem Ding wollen. Und ich bin eben halt aufgewachsen, ohne dass es solche Dinge überhaupt gab und mir hat natürlich nichts gefehlt. Aber euch, wenn ihr es einen Tag nicht habt, fragt ihr euch, wie soll ich diesen Tag überstehen. Und das ist, finde ich, eine große Gefahr. Das hat auch damit zu tun, dass wir nicht mehr in der Wirklichkeit sind, dass wir nicht mehr in der Normalität sind, sondern wir sind immer mehr in so einem virtuellen Raum unterwegs und wir werden den Kontakt zueinander verlieren, fürchte ich, und den Kontakt zur Erde auch. Bloß weil wir so eine Unterhaltung haben und das ist hart.

Und haben Sie ein Smartphone?

Ich habe keins, aber ich habe deswegen keins, weil ich es einfach auch nicht brauche. Meine Freundin hat ein Smartphone und wenn wir im Urlaub sind, benutzen wir es als Navigationsgerät oder weiß der Teufel was. Also ich habe nichts gegen diese Apparate.

Sie denken also eher, dass es der Umgang und das Bewusstsein gegenüber diesen Technologien ist. Finden Sie, die Schule könnte in diesem Bereich helfen, aufklären und den Kindern und Jugendlichen auch etwas beibringen?

Die Schule könnte das und die Schule tut das glaube ich auch, nur ist das Problem an Schule, dass man, was in der Schule läuft, nicht wirklich ernst nimmt, also das ist so begrenzt. Wenn das irgendein Star auf Instagram postet, nimmt man das tausend mal ernster als wenn die Schule erklärt. Das ist auch wieder ein Teil von dem, was wir vorher gesagt haben, dass die Schule so ein merkwürdiges Konstrukt ist; keiner will was mit ihr zu tun haben. Trotzdem ist das, was in der Schule erklärt wird, super interessant und wichtig. Die Schule könnte aufklären, ich finde, die Gesellschaft müsste sehr viel stärker aufklären. Aber die Gesellschaft besteht eben auch aus Leuten, die mit Smartphone und Internet sehr, sehr viel Geld verdienen und die haben kein Interesse daran, euch aufzuklären, sondern daran, dass ihr diese Dinge möglichst viel benutzt.

Vielen Dank für das Interview.

Autor

1 Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert